Per Mausklick in die Antike

LERNMETHODEN Hochschulen probieren das E-Learning aus. Es gibt Vorlesungen zum Mitnehmen und digitale Testspiele, aber immer noch Anwesenheitspflicht

Noch gibt es Klausurbögen aus Papier. Aber künftig könnten Tablet-PCs sie ersetzen.

VON ANNA WATTLER

Staubige Lexika in der Bibliothek, überfüllte Vorlesungen, aus der letzten Reihe kaum zu erkennende Versuche – damit müssen Studenten sich arrangieren. Besser: mussten. Heute geht alles etwas schneller, virtueller, sauberer. Die viel gepriesene Lösung heißt E-Learning.

Elektronisches Lernen klingt verheißungsvoll. Unterstützung des Unterrichts durch elektronische Medien beschreibt genauer, was hinter dem Begriff steckt. Von „Wikis“, „Moodle“ und „Podcasts“ über Online-Prüfungen bis hin zu Lernspielen soll E-Learning das Studieren erleichtern und beschleunigen.

Die „lecture2go“ beispielsweise ist ein Service der Universität Hamburg. Ein Teil der Vorlesungen wird aufgezeichnet und online „zum Mitnehmen“ bereitgestellt. Studenten können versäumte Vorträge im Netz anschauen oder in Beiträgen fremder Fachbereiche stöbern. Das Ziel: der Allgemeinheit den Zugang zum Wissen erleichtern.

Auch an der Hochschule für angewandte Wissenschaft (HAW) ist das Hochladen von Vorlesungsskripten längst Alltag. Präsenzveranstaltungen soll es nicht ersetzen. „Bei vielen Veranstaltungen gilt Anwesenheitspflicht“, betont Sprecherin Katharina Ceyp-Jeorgakopulos. Geprüft wird die ganz traditionell per Unterschriftenliste.

An der HAW wird in allen Fachbereichen mit E-Learning gearbeitet. Ceyp-Jeorgakopulos: „Unsere Studierenden und Lehrenden sind sehr technikaffin.“ Von den wenigen Geisteswissenschaftlern an der Hochschule, die sie als „am weitesten von der Technik entfernt“ bezeichnet, sieht sie ab: „Im Lehrstuhl für Freie Malerei trifft man einen anderen Menschenschlag. Die schicken noch Faxe oder Briefe und heften alles in Ordnern ab, statt es hochzuladen.“

Finanziert werden E-Learning-Projekte an der HAW aus den Etats der jeweiligen Fakultäten. An der Uni Hamburg gibt es ein eigenes Förderprogramm: „Seminare ans Netz“ vergibt jährlich rund 100.000 Euro an uni-interne Projekte. Die müssen sich einem Gutachtergremium stellen und können bis zu 5.000 Euro einstreichen. Im letzten Jahr gab es 170 Anträge. Gefördert wurden 103 Bewerber.

„Die Namen der Gebäude zieht man per Drag and Drop auf die Landkarte“, erklärt Thomas Fuchs stolz. Er stellt ein Computerprogramm zum Thema „Kultur- und Baupolitik zur Zeit der Attaliden“ vor. Studierende der Archäologie können damit virtuell durch das antike Griechenland schlendern. Auf Fotos sollen sie verschwundene Säulen suchen, Begriffe zuordnen und Multiple-Choice-Fragen beantworten.

Ob das Programm einen Lerneffekt hat? Fuchs ist sich sicher: „An jede Spielrunde haben wir einen Test angeschlossen. Die Ergebnisse waren gut.“ Einziges Manko: „Manche Studenten sind technisch fitter als die Programmierer und tricksen die Zwischenprüfungen aus.“

Noch ersetzen digitale Prüfungen keine klassischen Klausuren. Dass es bei diesem „E-Assessment“ mehr um technische Kompetenz als um fachliche Inhalte geht, verneint Stefan Schneider vom E-Learning-Büro der Uni Hamburg: „Computerkenntnisse gehören zu den Grundfähigkeiten. Trotzdem gibt es natürlich ganz neue Wege zur Täuschung.“ Schneider sieht im digitalen Prüfen die Chance, Wissen breiter abzufragen. „Die digitale Auswertung entlastet die Lehrenden ungemein“, erläutert er. „So können sie mehr Wert auf die Qualität der Prüfung legen.“ Rechtliche wirksame Klausuren werden an der Uni Hamburg ganz klassisch auf Papier durchgeführt. E-Klausuren sind aber geplant: „Wir wollen dann anstelle der Klausurbögen Tablet-PCs an die Studierenden austeilen.“

Auch Daniel Reißmann von der Uni-Klinik Eppendorf arbeitet digital. Er lehrt Zahnmedizin und möchte verbessern, was ihn in seinem Studium gestört hat. „Da ist man eingeschlafen, während vorne ein Versuch gemacht wurde“, erinnert er sich. „Bis zur praktischen Übung hatte man alles vergessen.“ Also zeichnet Reißmann mit seinen Studenten handwerkliche Vorgänge wie Zahnschleifen auf und stellt sie ins Internet. „So können wir die zeitliche Lücke zwischen Theorie und Praxis schließen“, sagt er.

Die Entwicklung geht rasant. Noch vor einem Jahr war laut einer Umfrage der Uni-Hamburg E-Learning für 70 Prozent der Studierenden völliges Neuland. Dennoch gehören künftig lange Recherchenachmittage in der Bibliothek wohl der Vergangenheit an.