„Echte Gamer“ gesucht

BERUFSWAHL Beim „Talent Day“ durften 650 Jugendliche 80 Medien- und IT-Firmen besuchen. Spiele-Branche hat großen Bedarf. Sie bildet Designer und Programmierer aus

„Wenn du hier im Anzug herkommst, hast du, glaube ich, ein Problem“

Uwe Wütherich, Creative-Director

VON ALEXANDER KOHN

„Was wollt ihr, wenn ihr ein Spiel kauft?“, fragt Marc Morian. „Dass es geil ist“, antwortet Elftklässler Helge. Seine Freunde nicken und grinsen. Wir sind bei „Fishlabs“, einer Firma am Hamburger Rödingsmarkt, die Videospiele programmiert. Menschen mit Headsets sitzen vor Monitoren, auf denen futuristische Raumschiffe zu sehen sind. „Und was wollen wir?“, fragt Marketing-Chef Morian. „Geld!“, rufen die Jugendlichen, die zu Besuch sind. Er nickt.

So wie hier öffneten beim „Talent Day“ der Medien- und IT-Branche Ende Oktober gut 80 Hamburger Unternehmen ihre Türen. Rund 650 Jugendliche besuchten Werbeagenturen, Studios und Großraumbüros. „Wir wollen den Schülern zeigen, welche Berufe hinter dem großen Glitzerbild der Medien stecken“, sagt Anne Heumann vom Organisationsteam. Anders als viele junge Menschen denken, würden Medien „nicht nur von Reportern gemacht“. Zu wenige interessierten sich für IT-Berufe.

Das spricht bei der Begrüßung auch der Vertreter der Handelskammer an und ermutigt speziell die Mädchen: „Nur wenige Frauen sind im IT-Bereich aktiv, greift diese Chance auf.“ Auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) betont die Potenziale der Branche. Im letzten Jahr gab es hier fast 1.000 Ausbildungsplätze, in diesem noch mehr. Besonders das Wachstum des „Games“-Bereichs habe ihn überrascht.

Zurück zu „Fishlabs“ am Rödingsmarkt. Hier arbeiten nur vier Frauen mit elf Mal so vielen Kollegen. Bald kommt eine Auszubildende dazu, die Mediengestaltung für Print und Digital lernen möchte. Auch in der zwölfköpfigen Schülergruppe ist Editha das einzige Mädchen. „Macht nichts“, sagt sie. „So etwas wie hier möchte ich machen.“

Manche wollen Praktikum in der Firma machen und erfahren, dass das nicht geht. „Wir müssten zu viel erklären“, sagt Morian.

Er gibt aber Tipps. „Qualifiziert euch so gut wie möglich, das entscheidet, wo man landet.“ Hochtalentierte, die ohne Schulabschluss bei „Fishlabs“ einsteigen, wären absolute Ausnahme. Und noch etwas sei wichtig: Leidenschaft für Videospiele. „Wir brauchen nur zwei Fragen im Interview, dann wissen wir, ob ihr echte Gamer seid.“

Um das zu werden, rät er, sollten man spielen wie die Spieleentwickler: „Geht analytisch ran und vergleicht eure Eindrücke mit Artikeln in Computerzeitschriften.“ Sein vielleicht härtester Job sei gewesen, ein „Herr der Ringe“-Spiel auf Fehler zu testen: „Das war fürchterlich“.

Aber in der Videospielbranche hat man auch Spaß. Einmal im Monat spielen die nach Dienstschluss, der Kühlschrank ist voll Bier. „Wenn du hier im Anzug herkommst, hast du, glaube ich, ein Problem“, scherzt Uwe Wütherich, der Creative-Director. Zehntklässler Luca erstaunt der lockere Umgangston, aber Programmierer reizt ihn nicht. Am Nachmittag guckt er sich eine Werbeagentur von innen an.

Während einer der Schüler unter dem Tisch auf seinem Handy Football spielt, zeigen ein Programmierer und ein Grafikdesigner, wie sie einen „epischen Weltraumshooter“ entwickelt haben. In 3D-Computerprogrammen werden aus Quadern nach und nach Raumschiffe modelliert und Waffen entworfen. Die Charaktere der Geschichte und ihre Missionen werden geschrieben wie ein Drehbuch. Heraus kommt ein Handy-Spiel.

Schüler Martin, der in der Freizeit Websites für Vereine ans Laufen bringt, findet die Videospielbranche zu schnelllebig: „Wenn man mal drei Monate Pause macht, ist man total raus.“ Die viele Zeit am PC sei nicht das Problem: „Wenn in den Ferien die Sonne scheint, mache ich die Gardinen zu und ran an die Kiste.“ Mediendesign könne er sich gut vorstellen, vielleicht als duales Studium. Helge unterhält sich noch mit den Angestellten, als die meisten schon gegangen sind: „Ich will meine Freizeit hier verbringen“, sagt er und lacht. „Ich will hier wohnen.“