Vom Dach in die Klasse

WIN-WIN Eine Hamburger Schule erzeugt erneuerbare Energie und bereitet ihre SchülerInnen damit auf das Berufsleben vor

Wenn die Schüler duschen, wird ihr Wasser von den Flachkollektoren auf dem Dach der Sporthalle erwärmt

VON NIELS HOLSTEN

Vom Boden aus betrachtet sieht die Wilhelmsburger G 17-Schule aus wie jede andere. Macht man sich aber die Mühe und steigt auf ihr Dach, ist der uninformierte Besucher erst mal baff.

Er blickt auf ein Meer aus Solarmodulen. Auf den flachen Dächern der verschiedenen Gebäude steht die größte Photovoltaikanlage aller Hamburger Schulen. Auf 670 Quadratmetern Fläche reihen sich 525 Module aneinander und produzieren jährlich etwa 85.000 Kilowattstunden Strom.

„Damit können etwa 30 Haushalte versorgt werden, und es werden circa 42 Tonnen CO2 eingespart“, erläutert Michael Beckereit, Geschäftsführer von Hamburg-Energie, die die Anlage realisiert hat. Der städtische Energieversorger gab das Geld für den Bau und übernimmt den Betrieb, die Schule stellt ihr Dach als Produktionsstätte zur Verfügung, und erhält dafür eine Miete. Auch Airbus, das UKE und der FC St. Pauli sind so zu ihren Solardächern gekommen. Ein Konzept, das Hamburg-Energie auch in Zukunft verfolgen will. Nichts für kleine Hauseigentümer, aber wer ein Dach ab 1.000 Quadratmetern Fläche besitzt, kann sich bewerben.

Für die Schule bietet die Anlage mehr als Mieteinnahmen: Sie steht Lehrern und Schülern für Versuchszwecke und den praktischen Unterricht zur Verfügung. Die G 17 ist eine staatliche Gewerbeschule mit technischem Gymnasium. Hier werden die Fachkräfte ausgebildet, die auch Hamburg-Energie „im Bereich erneuerbare Energien dringend benötigt“, wie Beckereit unter Verweis auf die Bedeutung der Zusammenarbeit hervorhebt.

Die Anlage dient den Schülerinnen und Schülern als Anschauungsobjekt und Datenlieferant zugleich. Am PC können sie auf aktuelle Messdaten zugreifen. „Die machen den Unterricht anschaulich und bringen die Technik vom Dach ins Klassenzimmer“, sagt Schulleiter Wolf-Rüdiger Giersch. So können die SchülerInnen zum Beispiel untersuchen, wie unterschiedlich der Wirkungsgrad verschiedener Modultypen ist, oder ob die Module altern und mit den Jahren weniger Strom erzeugen.

Die Anlage ist in der Schule ständig für jedermann präsent: Selbst in der Pausenhalle können auf öffentlichen Terminals aktuelle Prozessbilder beobachtet werden. Serkan Kenc, der die 11. Klasse am technischen Gymnasium besucht, glaubt, dadurch später einen Vorteil zu haben, „weil ich hier schon viel über Technik gelernt habe“. Ähnlich sieht das Finn Alexander Drewes aus derselben Klasse: „Die erneuerbaren Energien bieten geniale Jobperspektiven“, findet er.

Vieles wird hier in SchülerInnenprojekten realisiert. So wurde 2010 eine selbst konstruierte Windenergieanlage auf das Schuldach montiert. Die Schule versteht sich als Umweltschule und setzt mit den Schwerpunkten regenerative Energien und Klimaschutzbau voll auf den wachsenden Öko-Zukunftsmarkt.

Das wird hier überall erfahrbar – selbst nach dem Sport. Wenn die SchülerInnen duschen gehen, wird ihr Wasser von den Flachkollektoren auf dem Dach der Sporthalle erwärmt. Da dies im Winter nur bedingt funktioniert, verwendet die Schule eine Kombination verschiedener Wärmeerzeuger. Neben der Solarthermie sorgt ein Blockheizkraftwerk für angenehme Temperaturen im Klassenzimmer. Alle Anlagen können die SchülerInnen messen und so die unterschiedlichen Techniken und deren Zusammenwirken im laufenden Betrieb kennenlernen.

Im Schwerpunkt Klimaschutzbau wiederum lernen die SchülerInnen, wie die erzeugte Wärme auch im Gebäude bleibt. Wo entweicht die Wärme, wo wird sie aber auch gewonnen, zum Beispiel durch Sonneneinstrahlung? Eine Wärmekamera macht diese Stellen sichtbar, sodass sich die PlanerInnen clevere Umbauten ausdenken können.

Ein praktisches Untersuchungsobjekt entsteht gleich nebenan: Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt baut dort ein neues Verwaltungsgebäude für ihre gut 1.500 Mitarbeiter. Es soll ein Vorbild für ökologisches Bauen und sehr energieeffizient werden.

Wenn alles klappt, bekommt die Schule einen Zugriff auf die Gebäudedaten und damit neues hochaktuelles Material für ihren Unterricht und mögliche weitere Projekte.