ALLTAG VOM FEINSTEN
: Zwei Individualisten, die fast immer passen
2008 Rosso Piceno DOC Superiore, De Angelis (Marken, Italien)
Einer meiner liebsten Italiener überhaupt! Was man wirklich braucht, ist ein Wein, den man sich einfach einschenken kann und der schnörkellos das tut, was er soll und am besten kann, nämlich schmecken: großartig zur täglichen Pasta, zu Käse, Wurst, sogar Fleisch. Wer Wein nicht hofieren oder bestaunen will, sondern trinken, der braucht einen wie diesen. Kräftig, aber nicht schwer, mit reifer Frucht und feiner Würze, saftiger Textur und spürbarer, wesentlicher Säure. Ohne die geht auch jeder Rotwein in die Breite. Im Ursprungsgebiet Rosso Piceno, das in den mittelitalienischen Marken liegt, ist Frische selten ein Problem, denn die verwendeten Rebsorten – Sangiovese (das Herz des Chiantis) und Montepulciano (das Wesen des massenhaft verhunzten, potenziell aber großartigen Montepulciano d’Abruzzo) – sind von Natur aus säurefreudig. Leider ist dieser lebendigste Nerv eines jeden Weins in vermeintlich hochwertigen Kreszenzen weniger akzeptiert und wird daher kurzerhand geschliffen wie eine begehrte Burg im Mittelalter. Was bleibt sind bestaunte Ruinen einstigen Stolzes. Bei Quinto Fausti von DeAngelis ist das anders, der ist stolz auf das Charakteristische, Ursprüngliche oder, wie man heute sagt: Authentische in seinen Weinen. Vor allem auf den Rosso Piceno, den wichtigsten Wein der Marken, dessen an dunkle, auch eingelegte Kirschen, Zedern und mediterrane Kräuter erinnernde Frucht so charakteristisch ist, das jede detailliertere Beschreibung seine Komplexität nur banalisieren würde. Tatsächlich ist dieser Wein so viel typischer als das meiste von dem, was Rang und Namen hat. Das liegt auch an seinem Preis von unwirklich erscheinenden 7,95 Euro. Bezug: Rindchen’s Weinkontor, 14059 Berlin, Lerschpfad 4, Tel. (0 30) 30 20 36 05, Preis: 7,95 Euro.
2010 Wehlener Sonnenuhr Riesling Spätlese, Dr. Loosen (Mosel)
Es ist natürlich kein Zufall, dass in dieser Kolumne der Weißwein nach dem Roten steht. Guter Weißwein nämlich passt immer, auch nach Rotweinen, zumal dann, wenn sie aus Deutschland und nicht das sind, was man „trocken“ nennt. Diese Spätlese ist süß, analytisch wenigstens, in Wahrheit aber unverschämt saftig, leicht, klar, würzig, elegant und ausgewogen, oder verkürzt: einer der großartigsten Weine der Welt. Wenn es um deutschen, erst recht um Wein von der Mosel geht, dann macht genau dies das Große aus: die weltweit einmalige Verbindung von tänzerischer, unbekümmerter Leichtigkeit und Eleganz mit Raffinesse, Komplexität und Schluckreflexe auslösender Pikanterie. Die Wehlener Sonnenuhr eine der renommierten Lagen der Welt, Riesling deren edelste Rebsorte und Ernst Loosen einer der berühmtesten Rieslingerzeuger des Planeten. Das ist eine Basis für 500-Euro-Weine, allein dieser kostet nur 14,30 Euro bzw. das Doppelte, denn eine Flasche reicht nicht pro Kopf. Kann man übrigens auch am Vormittag trinken statt Kaffee. Macht viel munterer und geistreicher. Bezug: www.drloosen.de, ab der 12. Flasche Fracht frei.
