Nichts, was es nicht gibt

VEGANE SZENE Rund 6.000 Produkte hat Berlins erster veganer Supermarkt im Angebot. Auch auf den Berliner Märkten sind Caterer auf dem Vormarsch. Wer einen Kochkurs besuchen möchte, wird ebenfalls in Berlin fündig

Wer viele vegane Angebote beieinander sucht, wird in Friedrichshain fündig

VON MALTE OBERSCHELP

Hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Kuchen, Shampoo, Fertigpizzas. Nuss-Nougat-Creme, Hundefutter, Haartönungen. Frisches Obst und Gemüse, Kosmetik, belegte Bagels. Der Supermarkt Veganz in Prenzlauer Berg unterscheidet sich rein äußerlich nicht von irgendeinem Berliner Biomarkt. Eines aber ist anders: Alle etwa 6.000 Artikel sind vegan.

„Die eigentliche Motivation für den Supermarkt war, sich nicht mehr mühsam seine veganen Lebensmittel zusammensuchen zu müssen“, sagt Jan Bredack, der Gründer von Veganz. Im Juli 2010 wurde dann dieser erste vegane Supermarkt Berlins eröffnet. Vorausgegangen war eine zweijährige Produktrecherche. Bredack arbeitete damals als Betriebsleiter bei Daimler, er baute ein Werk in Russland auf und bezahlte von seinem Gehalt zwei Mitarbeiter. Die haben sich umgeschaut, was es international an veganen Produkten gibt und Hersteller kontaktiert.

Denn ob ein Produkt wirklich vegan ist, ist nicht immer leicht zu beantworten. Die Definition ist einfach und klar: Vegan leben bedeutet, auf alle tierischen Produkte zu verzichten. Das leuchtet bei Milch oder Fleisch schnell ein. Doch der Teufel steckt im Detail, in der Liste der Inhaltsstoffe: Extrakte, Emulgatoren, Farb- und Zusatzstoffe – auch hier muss abgeklärt werden, ob tierische Spuren enthalten sind. Und das ist für den Laien gar nicht so einfach. „Das ist die eigentliche Leistung, die wir für die Kunden erbringen“, sagt Jan Bredack. „Wir garantieren, dass alle Produkte vegan sind – niemand muss die Inhaltsstoffe auf der Verpackung studieren.“ Vegan unterliegt keiner Kennzeichnungspflicht. Es gibt als ein Symbol die sogenannte Veganblume, aber sie wird nur von einigen Bioanbieter benutzt.

Als Veganz öffnete, war das mediale Echo enorm. Sogar die New York Times berichtete. Berlin gilt längst als die vegane Hauptstadt des Landes. „Als Veganer ist man hier am besten aufgehoben“, sagt Patrick Bolk, der bei der Webseite www.deutschlandistvegan.de mitarbeitet. Es leben immer mehr, vor allem junge Menschen vegan, sie können im veganen Supermarkt einkaufen, es gibt immer mehr vegane Restaurants (siehe nächste Seite). Patrick Bolk: „Es ist heute einfacher vegan zu leben als früher, weil das Angebot da ist.“

Zum Beispiel in der Grillsaison. „Wir haben da viel im Angebot“, sagt Jan Bredack, „etwa marinierte Sojaprodukte oder Grillwürste“. Das Weizeneiweiß Seitan erinnert von der Konsistenz her noch stärker an Fleisch. „Das gibt es sogar zu halben Hähnchen geformt, was natürlich etwas pervers ist“, meint Patrick Bolk. Abhilfe schafft ein sogenannter Veggie-Grill, in dem sich besonders einfach Gemüsespieße grillen lassen. Was die Erfrischungsgetränke angeht, muss man als Veganer jedoch vorsichtig sein. „Bei klaren Fruchtsäften ist oft Gelatine oder Farbstoff enthalten, der aus Läusen gewonnen wird“, so Bredack.

Übrigens spielen auch die Touristen sowie die in Berlin lebenden Ausländer eine große Rolle. Im Veganz machen sie etwa ein Drittel der Kunden aus, auch die veganen Restaurants profitieren von ihnen stark. „Bevor vegane Touristen nach Berlin kommen, informieren sie sich natürlich, wo sie hier essen können“, meint Steffen Weigel, der Inhaber des veganen Restaurants Viasko. „Man ist ja ernährungssensibel“, drückt es Bolk aus.

Dazu ist die Berliner vegane Szene gut organisiert. „Es gibt hier viele Menschen, die den Veganismus voranbringen wollen“, sagt Patrick Bolk. Zum Beispiel beim an jedem ersten Freitag im Monat stattfindenden Stammtisch der Webseite www.berlin-vegan.de. Für Einsteiger werden vegane Schnupperwochen angeboten, man kann diverse vegane Kochkurse belegen. „Ich glaube, dass es in einigen Jahren völlig normal sein wird, vegan zu leben“, meint Bolk. „Genau wie bei der Bioszene, die auch klein angefangen hat.“

Das Ziel, die vegane Lebensweise zu fördern, hat sich auch die Vegane Gesellschaft Deutschland gesetzt. Pressesprecher Christian Vagedes nennt in Berlin Friedrichshain als besonders veganen Stadtteil. Dort, an der Warschauer Straße, wird Jan Bredack die nächste Veganz-Filiale eröffnen. Außerdem verhandelt er in Leipzig, Frankfurt/Main und Wien über weitere Standorte. Expansion ist angesagt, weil er seine seine Ware nicht vom Großhändler, sondern von 70 kleineren Lieferanten bekommt. „Damit sich das rentiert, brauchen wir mehr Verkaufsfläche.“

Fast jedes Wochenende ist Jan Bredack mit seinem Team auch als Caterer auf Berliner Märkten und Festen unterwegs. „Wir zeigen den Leuten, dass es auch ohne Fleisch schmecken kann“, sagt er. Dass die Schnitzel vegan sind, sagt er ihnen aber erst hinterher.