Sind wir alle Piraten?

WORTSCHATZ Ein Pirat. Was ist das heute? Lebenseinstellung? Beruf? Industrie? Partei? Der Versuch einer Annäherung

VON BRIGITTE MALUNGO
, LISA RÄGER
UND LILLY BUSCH

Früher war es einfach: eine freiheitsliebende Meute mit Holzbein, Augenklappe und Papagei auf der Schulter, die auf der Suche nach Goldschätzen auf hoher See ihr Unheil trieb. Überall und nirgendwo zuhause. Sie waren gesellschaftliche Außenseiter, die allseits bewundert und gefürchtet die sieben Meere nach ihren eigenen Gesetzen beherrschten.

Heute halten Piraten den Kurs nicht mehr nur am Steuerrad, sondern auch am Computer. Sie sitzen nun im Parlament, in Aufsichtsräten und an der Börse.

Der Begriff Piraterie lässt sich ursprünglich auf das griechische Wort „peiran“ zurückführen und bedeutet so viel wie „Wagnis, Unternehmung“ oder „Überfall“. Auch Seeräuber und Freibeuter versammeln sich unter den Piraten. Mit Gewalt erleichtern sie andere um ihr Eigentum, plündern und sind dabei brutal und skrupellos – und dennoch darf ein Pirat auf keiner Faschingsparty fehlen.

Wie kann das sein? Vielleicht weil ein Pirat in unserer romantischen Vorstellung etwas Aufregendes ist. Wir sehen in ihm unsere Sehnsüchte nach Abenteuer, Aussteigen, Freiheit und Widerstand. Dabei denken wir an Störtebeker, Captain Jack Sparrow oder Bernd Schlömer – an Helden und Mythen, an Anarchie, das Wilde und das noch nicht ganz so Zielgerichtete.

Aus freiem Willen oder durch andere zu gesellschaftlichen Außenseitern erklärt, schlossen viele sich den Piraten in der Hoffnung auf eine selbstbestimmte lohnende Zukunft an.

Historisch wie heute gibt es viele Gründe für den Einstieg in die Piraterie. So sind nicht nur Abenteuerlust und der Wunsch nach Andersartigkeit Motive, sondern ebenso Armut, Verzweiflung und Geldgier.

Das eigennützige Stehlen von fremden Gedankengut sowie gierige Machenschaften großer Konzerne werden heute gleichermaßen als Piraterie bezeichnet. Während das Wort sich in diesen Fällen auf räuberisches Piratenverhalten bezieht, hat sich eine alternative Parteibewegung hingegen das „Pirat-Sein“ in einem positiven Selbstverständnis zu eigen gemacht. Für sie ist Piraterie ein Kampfbegriff: aufmüpfig sein und gegen den Strom schwimmen. Der Begriff „Pirat“ lässt sich vielseitig interpretieren. Deshalb funktioniert er auch so gut. Und vielleicht ist das ja schon das ganze Geheimnis.