Wenn die neue Hüfte nicht mehr mitmacht

ENDOPROTHTESEN Künstliche Gelenke verschleißen schnell. Die TU Harburg hat drei Gründe dafür gefunden und im Bremer Diako-Krankenhaus will man nun höhere Standards für Hüftgelenk-OPs einführen

Jedes neunte künstliche Hüftgelenk macht seinem Besitzer Probleme

Jede neunte Hüftprothese macht Probleme – sie verursacht Schmerzen, sitzt nicht richtig, muss im schlimmsten Fall wieder ausgetauscht werden. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der TU Hamburg-Harburg. Michael Morlock, Direktor des Instituts für Biomechanik in Harburg, forscht seit 15 Jahren zum Thema Hüftprothesen und dämpft die Erwartungen an die künstlichen Gelenke.

„In manchen Internetforen wird der Eindruck erweckt, dass es keinerlei Einschränkung nach einem Hüftgelenkersatz gibt“, sagt Morlock. Das reiche bis zu der Aussage, dass es auch wieder möglich sei, Kampfsport auszuüben. „Auch wenn dieses im Einzelfall zutreffend sein mag, ist es doch als allgemeine Erwartungshaltung äußerst problematisch.“

Morlock sieht drei Ursachen für das Versagen der künstlichen Gelenke: Das Material – üblicherweise Metall, Keramik oder der Kunststoff Polyethylen – oder das Design des Herstellers bereiten Probleme, die Prothese wurde durch die Mediziner nicht optimal eingesetzt oder der Patient hat sich zu früh zu stark belastet.

Morlock rät den Patienten davon ab, sich für ein künstliches Gelenke aus einem neuen und noch nicht lange erprobten Material zu entscheiden. Da fehlten einfach die Langzeitstudien, sagt Morlock. Nach seiner Überzeugung versprechen „bei korrekter Einbausituation und Belastung durch die Patienten sämtliche verfügbaren Materialpaarungen einen hervorragenden klinischen Langzeiterfolg“.

Mehr als 210.000 Menschen bekommen jährlich in Deutschland ein neues Hüftgelenk, bei mehr als 175.000 Patienten wird ein neues Kniegelenk eingesetzt, in der Regel wegen Verschleißes. Eine Routineoperation, nach der sich die Patienten nach oft jahrelangen Problemen meist wieder besser bewegen können. Meistens, aber nicht immer: Jedes Jahr sind rund 35.000 Wechseloperationen nötig, weil zum Beispiel nach dem Eingriff mechanische Probleme auftauchen oder Infektionen durch den Einsatz eines künstlichen Gelenks verursacht werden.

Genaues über die Gründe, warum eine Operation nach dem Einsatz eines künstlichen Knies oder einer Hüftprothese wiederholt werden muss, ist bis heute nicht bekannt – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es in Deutschland kein Register, in dem die Problemfälle systematisch ausgewertet werden. Ein Endoprothesenregister Deutschland ist geplant und soll bis 2013 kommen. Allerdings wird nicht verbindlich vorgeschrieben, dass die langfristige Wirkung dieser Operationen gemeldet werden muss. Es werden also nur Operationen derjenigen Kliniken ausgewertet werden können, die ihre Daten auf freiwilliger Basis zur Verfügung stellen.

Das Evangelische Diakonie-Krankenhaus Bremen-Gröpelingen, kurz Diako, gehört zu den bundesweit 23 Krankenhäusern, die sich demnächst als deutsches Endoprothesenzentrum zertifizieren lassen wollen. Dort sollen dann einheitliche Qualitätsstandards für den Einsatz von neuen Hüft- und Kniegelenken gelten. Dabei müssen die zertifizierten Krankenhäuser u. a. eine Mindestanzahl an Endoprothesenoperationen durch zwei Hauptoperateure nachweisen und direkt nach der OP und ein Jahr später den Zustand des Patienten ermitteln – ist er mit dem Verlauf zufrieden, hat er noch Schmerzen, ist die volle Beweglichkeit wiederhergestellt?

„Es gibt derzeit keine Verfahren, mit denen wir die steigende Belastung von künstlichen Gelenken testen können“, sagt Carsten Perka, Direktor der Klink für Orthopädie an der Berliner Charité und warnt vor übertriebenen Hoffnungen an ein neues Hüftgelenk. Die Materialien werden zwar immer besser, müssten aber auch immer mehr aushalten können, sagt Perka. Eine künstliche Hüfte halte im Schnitt 20 Jahre, bei sehr aktiven Menschen könne die Zahl der Bewegungszyklen aber auch schon nach drei Jahren erreicht sein. Man könne also keine generelle Aussage darüber treffen, wie lange es wahrscheinlich keine Probleme gebe.  JOACHIM GÖRES