Trauer um 14.53 Uhr

Die Reaktion auf Möllemanns Tod war meist routiniert, distanziert und kühl. FDP-Fraktion: „Schließlich gehörte er nicht mehr dazu“

BERLIN taz ■ FDP-Chef Guido Westerwelle hielt es gestern Nachmittag kurz. Er trat nur etwa 30 Sekunden vor die Presse, um seine „tiefe Betroffenheit“ über den „tragischen Tod“ von Jürgen Möllemann auszudrücken. Jahrelang hatte er mit seinem Ex-Vize um die Macht gerungen; gestern überging Westerwelle ausdrücklich diese „Differenzen“ und würdigte stattdessen die „politischen Verdienste“ von Möllemann.

Die Beobachter hingegen würdigten auch, dass der FDP-Chef nun einen schwarzen Anzug trug, obwohl er am Vormittag noch in einer hellen Kombination im Bundestag aufgetreten war.

Im Parlament war zunächst noch alles nach Routine verlaufen. Auch nachdem man über die Nachrichtenagenturen vom Freitod des Bundestagsabgeordneten Möllemann erfahren hatte, wurde eisern die Tagesordnung abgearbeitet. Man schaffte auch noch Tagesordnungspunkt 7 – „Beratung Antrag CDU/CSU: Europäische Ausländer-, Asyl- und Zuwanderungspolitik transparent machen“ – und überwies „interfraktionell die Vorlage auf Drucksache 15/655“ an die Ausschüsse. Erst um 14.53 Uhr war es dann so weit. Die amtierende Viezepräsidentin Susanne Kastner (SPD) bat die anwesenden Abgeordneten, sich von ihren Plätzen zu erheben und sie mahnte: „Die Kritik an seiner Person, die besonders in den letzten Monaten in den Medien zu lesen war“, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, „dass sich Jürgen Möllemann in seiner jahrzehntelangen politischen Arbeit viel Anerkennung erworben hat.“ Die vier Fahnen des Bundestages wehten auf Halbmast, wie üblich, wenn ein Parlamentsmitglied verstirbt.

Die FDP-Fraktion hingegen sah keinen Grund, sich geschlossen zu Möllemann zu äußern. Man traf sich auch nicht zu einer Sondersitzung. „Warum sollten wir?“, kommentierte eine Sprecherin, „schließlich gehörte Möllemann nicht mehr dazu.“ Er hatte die Bundestagsfraktion im Februar verlassen, um einem Ausschluss zuvorzukommen.

Aber einzelne FDP-Politiker äußerten dann doch ihre Betroffenheit. So bezeichnete Gerhart Baum den Tod Möllemanns als „eine persönliche Tragödie“. Und er fügte hinzu: „Im Grunde hat ihn die politische Bessenheit, die ihn getrieben hat, von der politischen Realität entfernt.“ ULRIKE HERRMANN