Nahost-Friedensgespräche: Spiel mit Hoffnungen in der Region

Was, wenn die Friedensverhandlungen scheitern? Dann könnte die Hamas der eigentliche Sieger von Annapolis sein. Syrien würde in den iranischen Schoß zurückkehren.

Flagge schwenken für den "Gipfel der niedrigen Erwartungen" in Annapolis Bild: dpa

KAIRO taz Israelischer Premier und Palästinenserpräsident reichen sich die Hand. Der US-Präsident sagt, dass nur ein unabhängiger palästinensischer Staat dazu führen werde, dass Palästinenser in Freiheit und Würde und die Israelis in Frieden mit ihren Nachbarn leben. Am Ende steht das öffentliche Versprechen, Friedensverhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Vorhang zu.

Irgendwo haben wir das alles schon einmal gesehen und gehört. Vor 14 Jahren hielten der damalige US-Präsident Bill Clinton, der seitdem ermordete israelische Premier Jitzhak Rabin und der inzwischen verstorbene Palästinenserpräsident Jassir Arafat bei der Unterzeichnung des Osloer Friedensabkommens im Rosengarten des Weißen Hauses fast wortwörtlich die gleichen Reden. Damals hatten sie vereinbart, binnen fünf Jahren eine endgültige Zwei-Staaten-Lösung auszuhandeln.

Die gemeinsame Erklärung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert ist das greifbare Ergebnis der Nahostfriedenskonferenz, die am Dienstag im US-Stützpunkt Annapolis tagte. Trotz monatelanger Verhandlungen war sie erst in letzter Minute zustande gekommen.

Wegen eines kontroversen Absatzes sollen die Diplomaten in der Nacht vor der Konferenz kaum ins Bett gekommen sein. Als es beim Eintreffen des US-Präsidenten kurz vor dem Beginn des Meetings noch immer keinen Text gab, nahm Bush nacheinander Olmert und Abbas zur Seite, so berichtete sein Nationaler Sicherheitsberater, Stephen Hadley. Der Präsident sei nicht bereit gewesen, sich ohne gemeinsame Erklärung auf die Bühne zu begeben. Nach 25 Minuten beschlossen die Kontrahenten gemeinsam mit US-Außenministerin Condoleezza Rice, einen umstrittenen Absatz zu streichen und die Wortwahl verschiedener Stellen abzuändern. Fünf Minuten, bevor Bush zum Podium ging, lag das Dokument schließlich vor. Keine der Seiten wollte anschließend erklären, um was es in dem gestrichenen Absatz ging.

Wie frisch die gemeinsame Erklärung zu dem Zeitpunkt war, als Präsident Bush mit seiner Rede die Konferenz in der Marine-Akademie eröffnete, ließ sich erraten, weil Bush in untypischer Weise seine Brille aufsetzten musste, um den gerade eben abgeänderten Text vorlesen zu können.

Diese Episode gibt einen Vorgeschmack auf das zähe Ringen, in das der in Annapolis zur Schau gestellte Handschlag bei den Friedensverhandlungen zwischen Palästina und Israel umschlagen könnte. Die seit Jahren ungelösten Kernprobleme klammert die gemeinsame Erklärung gänzlich aus. Der Text erwähnt weder die Zukunft der jüdischen Siedlungen im Westjordanland noch die endgültigen Grenzen eines Staates Palästina noch den Status Jerusalems und behandelt auch nicht die umstrittene Rückkehr der 1948 bei der Gründung Israels vertriebenen palästinensischen Flüchtlinge.

In der Region selbst ist heute die Skepsis groß, warum diesmal funktionieren soll, was bislang stets scheiterte. Übrigens mit einer bemerkenswerten Übereinstimmung zwischen arabischen und israelischen Medien. "Der Gipfel der niedrigen Erwartungen", wurde Annapolis von beiden Seiten getauft. Dass es Israelis und Palästinenser in der fast zweimonatigen Vorbereitung zu Annapolis nicht geschafft haben, sich auf grundlegende Prinzipien für die zukünftigen Verhandlungen zu einigen, spricht Bände. In der gemeinsamen Erklärung wurden dann alle ungelösten Kernfragen ausgeklammert: Die Zukunft der jüdischen Siedlungen, die endgültigen Grenzen eines Staates Palästina, der Status Jerusalems und die Flüchtlingsfrage wurden in Annapolis nur von Abbas vorgebracht - sozusagen als dessen persönliche unverbindliche Wunschliste für den bevorstehende Prozess.

Optimistisch mag nur stimmen, dass alle Seiten Annapolis mit dem sicheren Wissen verlassen haben, dass selbst der jetzige miserable Status quo nicht zu halten ist und sich der Abwärtstrend der gesamten Region nur noch durch einen Nahost-Masterplan stoppen lässt.

"Die Zeit ist reif, da wir gerade einen Kampf um die Zukunft des Nahen Ostens erleben - wir dürfen das Feld nicht den Extremisten überlassen", rechtfertigte Bush seine Initiative. Seine Sorge ist berechtigt. Das Problem dabei ist, dass die jetzt durch Annapolis vage eröffneten Gelegenheiten schnell umschlagen können.

Abbas sitzt zu Hause die Hamas im Nacken, und die ganze arabische Welt erlebt derzeit einen Wettstreit zwischen zwei Konzepten. Abbas und die arabischen Regierungen in Kairo, Amman und Riad glauben mit Verhandlungen die Lage der arabischen Welt verbessern zu können. Selbst Damaskus hat sich dem in Annapolis zögernd angeschlossen - mit der Hoffnung, auf diesem Wege die 1967 von Israel besetzten syrischen Golanhöhen zurückzubekommen. Auf der anderen Seite propagieren Hamas, die Hisbollah und der Iran das Konzept des "Widerstandes". Nun steht die "Achse der Verhandlungen" gegen die "Achse des Widerstandes".

Die Rechnung ist einfach: Wenn Abbas und die ihn unterstützende Arabische Liga mit ihrem Ansatz von Verhandlungen erneut leer ausgeht - dann heißt der klare Sieger von Annapolis Hamas. Syrien wird dann wieder in den iranischen Schoß zurückkehren. Die arabischen Anwälte der Verhandlungen hätten den Kämpfern des Widerstandes nichts mehr entgegenzusetzen. Das wäre dann der Preis, würde jetzt erneut im anvisierten Annapolis-Prozess mit den Hoffnungen der Region gespielt - etwa um vor dem Ende der Amtszeit Bushs noch ein amerikanisch-arabisches Bündnis gegen den Iran zu schmieden.

Hoffentlich bleibt von der gemeinsamen israelisch-palästinensischen Erklärung kein schulzeugnisreifes niederschmetterndes Urteil: "Sie haben sich aufrichtig bemüht."

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