Blick in die Vergangenheit

FREIBURG taz ■ Die Verbindungsdaten der Telekommunikation helfen der Polizei auf unterschiedliche Weise. Meist werden dabei Vorgänge in der Vergangenheit rekonstruiert.

Klassisch ist die Überprüfung der angerufenen Telefonnummern. So können die Ermittler feststellen, wer zu einer bestimmten Zeit kontaktiert wurde oder – bei monatelanger Auswertung – wer wen wie gut kennt.

Überprüft werden dabei meist die Telefone des Verdächtigen und seines Umfelds, oft aber auch der Anschluss des Opfers einer Straftat. Häufig dient die Analyse der Daten dazu, anschließend bei den identifizierten Gesprächspartnern das Telefon abzuhören oder die Wohnung zu durchsuchen.

Weil für Abrechnungszwecke nur die abgehenden Anrufe relevant sind, ist die Frage, welche Anrufe ein Verdächtiger erhalten hat, bisher nicht so leicht zu beantworten. Hier müssen die Telefonfirmen eine Zielwahlsuche durchführen. Dann müssen alle Provider alle Telefonanschlüsse darauf überprüfen, ob von dort aus im fraglichen Zeitraum das Telefon des Verdächtigen angerufen wurde.

Der Münsteraner Professor Jürgen Welp kritisierte, dass damit die Daten aller Telefonbesitzer einer permanenten Kontrolle unterlägen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2003 jedoch entschieden, dass hier noch kein Eingriff in Grundrechte vorliegt, weil der Zugriff auf die Daten nur flüchtig ist. Die Zielwahlsuche ist seit Jahresbeginn auch nicht mehr erforderlich, weil die Telefonfirmen jetzt auch die eingehenden Anrufe pro Anschluss speichern müssen.

In 68 Prozent der Fälle sind dem Max-Planck-Institut zufolge Mobiltelefone von der Abfrage betroffen. Hier sind noch weitere Ermittlungsansätze möglich. Bei der Funkzellenabfrage kann festgestellt werden, wer in einer bestimmten Region zu einer bestimmten Zeit mit dem Handy telefoniert hat. So will die Polizei etwa herausfinden, ob vor einem Überfall Komplizen sich per Mobilfunk verständigt haben.

Meist wird bei einer Funkzellenanalyse nur ein Zeitraum von wenigen Stunden untersucht. Im Schnitt werden dabei 111 Personen identifiziert, die dann von der Polizei näher überprüft werden. Pro Jahr kommen so rund 2 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal in eine Funkzellenabfrage, schätzen die MPI-Forscher.

Während die Funkzellenanalyse versucht, unbekannte Täter zu identifizieren, kann mit der Standortabfrage ermittelt werden, wo sich eine bekannte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt befand, falls sie dort mit dem Handy telefonierte oder simste.

Umstritten ist, ob auch die IP-Adressen, die beim Einwählen ins Internet vergeben werden, zu den Verkehrsdaten gehören. Die Freiburger Kriminologen haben sie nur gelegentlich erwähnt, aber mit durchaus erstaunlichen Ergebnissen. So wurden allein bei der T-Com im Jahr 2004 rund 6.300-mal IP-Adressen angefordert, im Folgejahr gab es schon 75.000 Anfragen. Meist geht es dabei um Betrugsfälle, Urheberrechtsverletzungen und Kinderpornografie. Aktuellere Daten lagen dem MPI leider nicht vor. CHRISTIAN RATH