Die Aufsteigerin, die umsteigen könnte

Als das Magazin Impulse letztes Jahr 52 Lobbyisten befragte, wer die besten jungen Wirtschaftspolitiker der Republik seien, kam Hildegard Müller auf Platz eins. „Müller ist jung, ehrgeizig, scharf in der Analyse“, überschlug sich der Begründungstext. „Und über Jahre eine verlässliche Stimme in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.“

Die CDU-Politikerin könnte nun selbst Lobbyistin werden. Das Handelsblatt berichtet, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft wolle die Staatsministerin aus dem Kanzleramt in seine Führung holen. Am Wochenende äußerte sie sich dazu nicht, gab jedoch auch kein Dementi ab.

Ältere Herrschaften lassen sich häufig das Ende ihrer politischen Laufbahn von der Industrie vergolden. Müller aber ist gerade erst 41 geworden. Sie arbeitet im Zentrum der Macht, sie wird als Vertraute der Kanzlerin beschrieben – ein Ausstieg aus der Politik wäre erstaunlich.

Die Beamtentochter ist mit 15 in die Junge Union eingetreten. Wenn sie später darüber sprach, benutzte sie Worte wie „reingerutscht“: Immer ein bisschen auf Abstand. 1998 wurde sie erste weibliche JU-Chefin, aber es ist eine ihrer Rollen geblieben, sich als Gegenmodell zur CDU der alten Männer zu profilieren. Von 2006 an ging sie als erstes Mitglied einer Bundesregierung in Elternzeit, 15 Monate, und die Bunte jubelte. „Die Macht kann warten – für ihr Babyglück.“

Müller ist einigen früh als Talent aufgefallen. Darunter waren Manager der Dresdner Bank, bei der sie eine Banklehre absolviert und nach dem Wirtschaftsstudium ihre erste Stelle angetreten hat. Damit sie diesen Job und den JU-Vorsitz stemmen konnte, spendete die Bank von 2000 bis 2002 jährlich rund 10.000 Euro an die CDU. Müller finanzierte so eine Halbtagskraft. Eine Bank, die eine Parteikarriere anschiebt – Müller fand das in Ordnung.

In ihrer Zeit bei der Jungen Union fiel sie auch Angela Merkel auf, die damals CDU-Generalsekretärin war. Merkel setzte auf Müller. Sie ließ sie wirtschafts- und sozialpolitische Positionen ausarbeiten, schickte sie in Kommissionen und als Regierungsmacht zu verteilen war, nahm sie die Jüngere mit ins Kanzleramt. Müller bekam die Verantwortung für die Bund-Länder-Koordination.

Seit Januar ist sie zurück aus der Elternzeit. Der Vater ihrer Tochter ist Anwalt in Heidelberg, die Tochter geht in Berlin in die Kita. In Düsseldorf muss sich Müller um ihren Wahlkreis kümmern und im Vorstand der NRW-CDU sitzen, ausgerechnet dem Landesverband, dessen Chef Jürgen Rüttgers Merkel bekriegt. Ein stressiges Leben – mag sein, dass es im Energieverband schöner würde. Aber noch ist Hildegard Müller nicht gewechselt. GEORG LÖWISCH

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