Konsequenzen aus CSU-Wahldesaster: In Bayern stirbt man langsam

CSU-Parteichef Erwin Huber will jetzt noch nicht zurücktreten. Später aber vielleicht schon. Seine Generalsekretärin will gehen, darf aber nicht.

Schwacher Erwin Huber, an den Rand gedrängt. Bild: dpa

Am Morgen nach dem Absturz hört es sich an, als ob sich die Ereignisse gleich überschlagen. "Es muss entschieden werden - schnell, sehr schnell", sagt Georg Schmid, der Chef der CSU-Landtagsfraktion. Es geht dann doch nicht schnell, aber Schmid lenkt den Blick auf einen wichtigen Punkt: Jetzt, da die Machtverhältnisse in der CSU neu ausgemacht werden, verliert derjenige, der das falsche Tempo wählt.

Edmund Stoiber wählt ein ruhiges Tempo. Vor der CSU-Landesleitung in der Münchner Nymphenburger Straße steigt er am Morgen langsam aus seinem Auto. Die Kamerameute begrüßt ihn so freudig wie zu seinen besten Zeiten als Kanzlerkandidat. Stoiber geht gemessenen Schrittes die Einfahrt hoch, hält an, sammelt sich. "Ich werde mich als Ehrenspielführer ein Stück weit mit einbringen." Er redet besonnen und verstoibert sich nicht einmal. Merkwürdig wirkt nur der gelöste Blick, als er behauptet: "Das ist für mich der bitterste Moment gewesen in meinem politischen Leben."

Alle klagen, aber keiner klagt offen an. Keiner möchte Königsmörder sein. Wer das Messer zückt, wird hinterher nicht mal mehr Vizekönig, das wissen sie alle. Und darauf setzen die beiden Verlierer, Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein. Sie kommen spät zur Vorstandssitzung an diesem Montag. Sie sehen noch kleiner aus vor all den Kameraleuten und Reportern. Zu zweit gehen sie die Einfahrt hoch, dicht nebeneinander, ein wenig wie Hänsel und Gretel, die sich ganz fest halten, weil sie schon wissen, dass sie sich verirrt haben. Huber braucht Beckstein, weil der weniger leicht zu ersetzen ist als er selbst. Die möglichen Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten brauchen noch einen Platzhalter: So hatte Markus Söder, Stoibers Hätschelkind, zuletzt keinen guten Lauf, er ist auch erst 41 Jahre alt. Innenminister Joachim Herrmann hat eine schlechte Presse. Fraktionschef Schmid ist noch nicht mal ein Jahr in seinem Amt.

Auf der anderen Seite ist es für Beckstein gut, wenn Huber noch ein Weilchen überlebt. Mit ihm als Begleiter kann er die Richtung wenigstens noch ein wenig bestimmen. Übernähme Parteivize Horst Seehofer gleich, wäre das schwierig. So hat Beckstein noch einen schwachen Huber. Und sogar Huber hat noch jemanden, der schwächer ist.

Dicht hinter den beiden geht die Generalsekretärin Christine Haderthauer her, die Frau, die ihren Parteifreunden Hohn und Verzweiflung einbrachte, als sie "Sonne, Sommer, CSU"-Plakate kleben ließ. Jetzt schafft sie einen wunderlich zufriedenen Blick. Sie hat Huber den Rücktritt angeboten, noch in der Wahlnacht, aber auch wenn der Niederbayer erfolglos ist, dumm ist er noch lange nicht. Ist Haderthauer zu schnell weg, kommt gleich die Frage, wer sie denn eingestellt hat. Wie gesagt: Es kommt nun alles auf das Tempo an.

Die Vorstandssitzung der Christlich-Sozialen zieht sich über vier Stunden hin, zwischendurch werden Schnitzel serviert, die Konditorei "Zuckersucht" liefert Süßes. Fast alle Anwesenden melden sich. Einige fordern, dass die Union innerhalb der großen Koalition in Berlin aggressiver auftreten muss. Landtagsabgeordnete klagen die Bundestagsabgeordneten an, dass die sich von Linken-Chef Oskar Lafontaine haben vorführen lassen, als der vor der Wahl in Berlin die Pendlerpauschale zur Abstimmung stellte. Aber niemand läuft Amok.

"Die Stimmung? Sehr konzentriert", sagt der Parteiintellektuelle Alois Glück hinterher. Von personellen Konsequenzen reden nur der Junge Union-Chef Stefan Müller und die Bamberger Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär: "Ich würde mir wünschen, dass die Verantwortlichen oder: die Verantwortliche, die im operativen Geschäft stehen, Konsequenzen ziehen."

Aber noch will niemand solche Veränderungen beschleunigen. Erst muss die Koalition mit der FDP zusammengetackert werden, und dazu muss die CSU einig sein. Es geht um den Machterhalt, und das ist das stärkste Argument in der Partei - auch für die Bundes- und Europaabgeordneten, die besorgt auf die Wahlen im nächsten Jahr blicken.

Deshalb beschließt der Vorstand, dass gleich alle vier die Koalitionsverhandlungen führen: Beckstein, Huber, Schmid und Seehofer. Sie sollen mit den Liberalen und den Freien Wählern reden. Die Option, auch mit der SPD zu verhandeln, ist erst mal verworfen. Auf einem Parteitag am 25. Oktober soll ein Koalitionsvertrag abgesegnet werden. Spätestens dort wird auch wieder über Huber und Beckstein entschieden werden, eher früher. "Wir werden auch personelle Konsequenzen ziehen", sagt Huber. Ob er sich auf dem Parteitag noch einmal als Vorsitzender zur Wahl stellen wird, lässt er offen.

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