Bundestag nickt Rettungspaket ab

BERLIN taz ■ Am Ende dieses Morgens, der einmal in die Geschichtsbücher eingehen dürfte, ist der Bundestagspräsident drauf und dran, die Realität vollends zu überholen. „Dann schließe ich die Abstimmung, bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer mit der Auszahlung zu beginnen.“ Auszahlung? Norbert Lammert meint natürlich „Auszählung“, und zwar der Stimmen, die gerade für oder gegen das gigantische Rettungspaket der Bundesregierung abgegeben wurden. Und doch passt sein Fauxpas wunderbar in diese atemberaubende Dynamik der vergangenen Woche, an deren Ende eben nur eins zählt: das Geld für die Banken.

Trotz einer turbulenten Bundestagsdebatte steht denn letztlich auch eine große Mehrheit hinter dem Stabilisierungsgesetz von Kanzlerin und Finanzminister: 476 Abgeordnete stimmen für das Vorhaben, 99 dagegen, einer enthält sich. Wenig später machen auch der Bundesrat und der Bundespräsident den Weg für die Bankenhilfe frei.

Der Tag hatte früher als sonst begonnen, und das, obwohl die Haushälter der Fraktionen bis tief in die Nacht um Änderungen im Gesetz gerungen hatten. Um Punkt acht Uhr mussten die Parlamentarier in ihren Fraktionsreihen Platz nehmen, auch die Ministerriege erschien geschlossen. SPD-Fraktionschef Peter Struck eröffnete schließlich die Debatte mit einer fulminanten Managerschelte: „Diese Herren spielen ein gewaltiges Monopoly“, schimpfte Struck. Mit ihrer Arroganz müsse ein für alle Mal Schluss sein. Auch Strucks Pendant von der Union, Volker Kauder, machte deutlich, dass er nicht mehr viel übrighat für die Kaste der Bankmanager. Stattdessen lobte er das schnelle Handeln: „Man kann sich auf unsere Demokratie verlassen.“

Diese ganz großen Linien kennt man sonst nur von FDP-Chef Guido Westerwelle, der das am Freitag in seiner pathetischen Art auch mal wieder zeigte: „Wir sind alle verpflichtet, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.“ Sollte heißen: Die FDP macht mit, obwohl sie mit manchen Punkten des Gesetzes haderte. Dass ausgerechnet die marktliberale FDP einer möglichen Teilverstaatlichung von Banken zustimmte, war natürlich Wasser auf die Mühlen von Grünen und Linken. Auch in der Ablehnung des Gesetzes waren die beiden Fraktionen sich einig. Sie warfen der Regierung vor, dem Parlament bei der Vergabe der Hilfsgelder viel zu wenig Mitspracherecht eingeräumt zu haben. Linksfraktionschef Gregor Gysi brandmarkte zudem das Krisenmanagement von Finanzminister Peer Steinbrück. Sein Verhalten sei von „strafrechtlicher Relevanz“, weil er die Lage falsch eingeschätzt habe.

Als einer der letzten Redner schlurfte Michael Glos (CSU) in Richtung Podium. Das ist der Wirtschaftsminister, der in den letzten Wochen komplett in der Versenkung verschwunden war. Dass das auch besser so war, zeigte sein Auftritt. Eigentlich wollte er daran erinnern, dass es trotz Finanzkrise erstmals seit langem wieder mehr Ausbildungsplätze als Bewerber gebe. Stattdessen verhaspelte er sich und sagte genau das Gegenteil. Aber vielleicht lag’s ja auch an der historischen Atmosphäre. VEIT MEDICK