Der honorige Reformer der Finanzmärkte

Von Jugend hält die Bundesregierung nicht viel. Jetzt soll der 72 Jahre alte Otmar Issing die Expertenkommission der Bundesregierung zur Reform der Finanzmärkte leiten. Der gelernte Volkswirt und ehemalige Chefökonom der Europäischen Zentralbank ist zweite Wahl. Denn eigentlich wollte CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel die Position mit dem noch fünf Jahre älteren Expräsidenten der Deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer, besetzen. Der ältere Herr aber ist ausgerechnet Mitglied im Aufsichtsrat der zum Synonym für die Finanzkrise in Deutschland gewordenen Investmentbank Hypo Real Estate. Das war der SPD doch zu viel an Chuzpe – den „Bock zum Gärtner machen“, das ging nicht.

Jetzt also der honorige Issing, der sich 1965 an der Würzburger Universität mit seiner Arbeit „Leitwährung und internationale Wirtschaftsarbeit“ habilitierte und danach auf Lehrstühle verschiedener Universitäten in Deutschland und später auch den USA wechselte. 1990 berief ihn die Bundesregierung in das Direktorium der Bundesbank, im Juni 1998 wurde er Mitglied im Direktorium der EZB – nominiert für 8 Jahre, die längstmögliche Amtszeit.

Er gilt als einer der Väter der reibungslosen Euro-Einführung. „Es gibt für einen Ökonomen keine faszinierendere Aufgabe, als bei der Einführung, der Schaffung einer neuen Währung dabei zu sein“, schrieb er euphorisch.

Nach Ablauf seiner Amtszeit 2006 schied Issing bei der EZB aus und folgte mit 70 Jahren einem Ruf in die freie Wirtschaft. Der dreifache Ehrendoktor und Träger des Großen Verdienstkreuzes der Republik heuerte ausgerechnet bei der Investmentbank Goldman Sachs in den Staaten an, kurz bevor dort die Krise so richtig ankam. Vor dem Crash stehend, mussten Goldman Sachs und die Investmentbank Morgan Stanley auf Veranlassung der US-Notenbank Fed im September ihren Status als reine Investmentbanken aufgeben. Einlagen von Sparern sichern ihnen jetzt vorläufig das Überleben.

Ist Issing also auch nur so ein „Bock“ wie Tietmeyer? Nur dass es die SPD noch nicht gemerkt hat? Wohl nicht. Mit seiner internationalen Erfahrung aus Lehre und Forschung etwa auch beim Internationalen Währungsfonds ist Issing für den Job als Leiter der Expertenkommission, die sich mit den globalen Finanzmärkten beschäftigen soll, prädestiniert. Zumindest mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU kennt er sich bestens aus.

Ökonom übrigens wollte der junge Issing gar nicht werden. Ein Jahr lang studierte er in Würzburg „klassische Philologie“. Danach erst sattelte er auf Volkswirtschaft um.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT