Fall Mannichl: Aus Zeugen werden Tatverdächtige

In München wird ein Ehepaar festgenommen, das in das Attentat auf den Polizeichef Passaus verwickelt sein könnte. Beide sollen in der rechtsextremen Szene tief verwurzelt sein

BERLIN taz ■ Neue Spuren im Fall des von einem mutmaßlichen Neonazi niedergestochenen Passauer Polizeidirektors Alois Mannichl: Die Polizei hat ein verdächtiges Ehepaar aus der rechten Szene festgenommen, das mit dem Messerstecher in Verbindung stehen könnte. Es wurde am Mittwoch verhört. Welche Rolle die 22-jährige Frau und der 33-jährige Mann im Zusammenhang mit dem Anschlag spielen, war zunächst unklar. Erst hieß es, die beiden seien lediglich Zeugen, später schloss die Polizei eine Tatbeteiligung der beiden plötzlich doch nicht mehr aus.

Zeugen wollen die Frau am vergangenen Samstag, dem Tag des Attentats, in Mannichls Wohnort Fürstenzell bei Passau gesehen haben – zusammen mit einem Mann, auf den Mannichls Täterbeschreibung zutrifft. Dieser hatte den Messerstecher als einen 1,90 Meter großen, kahlköpfigen Mann mit kräftiger Statur und einer Tätowierung oder einem großen Leberfleck am Hals beschrieben. Die Eheleute wurden bereits am Dienstag in ihrer Wohnung im Münchner Stadtteil Sendling festgenommen.

Die beiden sind offenbar tief in der rechtsextremen Szene verwurzelt. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks sind sie der Polizei wegen zahlreicher Propagandadelikte und der Verwendung von NS-Symbolen bekannt. Sie sollen auch im Sommer auf der Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse in Passau gewesen sein, die damals für bundesweites Aufsehen sorgte. Der NPD-Aktivist Thomas Wulff, in der rechtsextremen Szene nach einem SS-Obergruppenführer nur „Steiner“ genannt, hatte Busse damals eine Hakenkreuzflagge auf den Sarg gelegt. Mit dabei war damals auch der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt.

Nach der Beerdigung gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den rund 90 Rechtsextremisten. Auf Videos ist zu sehen, wie Polizeichef Mannichl sich persönlich aggressiven Neonazis in den Weg stellt. Später ließ die Staatsanwaltschaft Busses Grab öffnen und die verbotene Hakenkreuzflagge entfernen. Spätestens seit den Vorfällen bei Busses Beerdigung wurde Polizeichef Mannichl zur Hassfigur der Neonazis; auch die NPD hetzte im Internet immer wieder gegen ihn.

Eine Rolle im Zusammenhang mit dem Anschlag könnte auch der NPD-Treff Traudl’s Café Stübchen in Mannichls Wohnort Fürstenzell spielen, der auch im aktuellen bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. So war die NPD am 23. Mai von Traudl’s Café zum Fürstenzeller Kriegerdenkmal gezogen, um den Opfern „des alliierten Terrors und der Vertriebenen“ zu gedenken.

In dem Szenetreff könnten sich auch am Tag des Attentats auf Mannichl mehrere Rechtsextremisten zu einer Art Adventsfeier getroffen haben, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet. Bereits eine Woche vorher habe es dort eine Feier der Rechten gegeben. Das wollte die Passauer Polizei auf Anfrage aber weder bestätigen noch dementieren. Auch einem Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes ist hiervon nichts bekannt, er will dies aber nicht vollkommen ausschließen. Er berichtet, dass Traudl’s Café seit Anfang des Jahres zum monatlichen Treffpunkt der NPD geworden sei.

Der Mordanschlag auf den Passauer Polizeidirektor Mannichl wird nun auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages beschäftigen, das normalerweise den Geheimdiensten auf die Finger schauen soll. Ziel sei in diesem Fall aber die Durchleuchtung der Hintergründe und der rechtsextremistischen Bewegungen in der Region um Passau. Das teilte der Vorsitzende des Gremiums mit, der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.

WOLF SCHMIDT