Porträt Bartoszewski: Versöhner, der auch scharf sein kann

Unter der deutschen Besatzung Polens war Wladyslaw Bartoszewski 1940/41 im KZ Auschwitz. Heute kümmert sich der polnische Politiker um das polnisch-deutsche Verhältnis.

Baut Brücken, aber ohne Versöhnungskitsch. Bild: dpa

Wladyslaw Bartoszewski, im verehrungswürdigen Alter und dennoch putzmunter, kümmert sich in der Regierung Tusk um das polnisch-deutsche Verhältnis. Kein anderer polnischer Politiker ist für diese Aufgabe so gut gerüstet. Sprache, Kultur, Gesellschaft, Politik und der Wissenschaftsbetrieb Deutschlands sind ihm aus langen Aufenthalten bestens vertraut. Er arbeitet seit Jahrzehnten an der Überwindung von Stereotypen beiderseits der Oder und glaubt daran, dass in intensiven Gesprächen gegensätzliche Positionen ausgeglichen werden können.

Bartoszewski ist für Polen wie für Deutsche eine moralische Instanz. Unter der deutschen Besatzung Polens war er 1940/41 im KZ Auschwitz, dann im Warschauer Untergrund, wo er sich bei der Rettung von Juden hervortat. Er nahm am Warschauer Aufstand teil, war unter dem Realsozialismus zweimal in Haft unter der falschen Beschuldigung der Spionage, arbeitete danach als Journalist, vor allem bei der renommierten katholischen Wochenzeitung Tygodnik Powszechny und lehrte als Zeithistoriker an polnischen und an deutschen Universitäten. Wer jemals seine hohe Stakkatostimme bei einem Vortrag gehört hat, wird beeindruckt bleiben von seiner stupenden Sachkenntnis und der Fundiertheit seiner Urteile.

Nach dem Sieg der Demokratie in Polen war er zweimal Außenminister. Damals wie heute arbeitet Bartoszewski für die Versöhnung, betreibt jedoch alles andere als Versöhnungskitsch. Er liebt klare Worte, und dabei geschieht es auch, dass er sich verrennt. So in seiner jüngsten Polemik gegen die Chefin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach. Es gibt in Deutschland genügend politische Kräfte, die aus guten Gründen entschlossen sind, die Mitgliedschaft Erika Steinbachs im Stiftungsrat des Kuratoriums für die Vertriebenen-Gedenkstätte in Berlin zu verhindern. Das ist eine Angelegenheit, mit der die Deutschen fertig werden müssen. Deshalb war es von Bartoszewski alles andere als produktiv, eine mögliche Mitgliedschaft Steinbachs im Kuratorium mit dem abstrusen Vergleich zu beantworten, die Ernennung Steinbachs sei genau so, als ob der Auschwitzleugner Williamson zum Bevollmächtigten des Vatikan für die Beziehungen zu Israel ernannt würde. So schaukelt man Polemiken hoch und erschwert eine Lösung, wie die Antwort der Vertriebenenpolitiker, Deutschland dürfe sich von den Polen nicht erpressen lassen, zeigt.

Offenbar hat Bartoszewski jetzt dieses Problem erkannt. Er traf sich mit der Bundeskanzlerin zum vertraulichen Gespräch und zeigte sich anschließend beruhigt. Wir aber dürfen ihm nachträglich zum 87. Geburtstag am gestrigen Donnerstag gratulieren. CHRISTIAN SEMLER

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