Folge des Klimawandels: Nur noch 40 Jahre Fisch?

Die Überfischung der Meere gefährdet laut einem UN-Bericht die globalen Fischbestände. Die Folgen des Klimawandels machen sich bemerkbar.

Der Dorschbestand in der Ostsee wird knapper. Bild: dpa

Als würde die Plünderung der Meere durch die anhaltende Überfischung nicht genügen, wird der globale Fischbestand auch durch den Klimawandel bedroht. Davor warnt ein am Montag in Rom von der UN-Welternährungsorganisation (FAO) veröffentlichter Bericht.

Vielen Fischarten wird es in ihren bisherigen Heimatgewässern zu warm, sodass sie ihre Laichplätze immer weiter nach Norden verlegen. In der Nordsee haben sich mehrere Fischpopulationen in den letzten 25 Jahren über hundert Kilometer in Richtung Norden orientiert. Die Restbestände des Kabeljaus etwa werden bald ganz in Richtung Arktis verschwunden sein. Zugleich findet ein gewisser Ausgleich statt, weil Sorten aus dem Süden in die Nordsee einwandern.

In den tropischen Gewässern vor Südamerika, Afrika und Asien gibt es einen solchen Nachschub nicht. Die Produktivität des Ökosystems werde in äquatornahen Zonen generell sinken, befürchtet die FAO. Und einzelne Arten würden sich auch völlig aus diesen Gewässern zurückziehen. Für Länder, für deren Ernährung das Meer eine zentrale Rolle spielt, könne diese Entwicklung dramatische Folgen haben. Sie gefährde dort nicht nur die Ernährungssicherheit, sondern bedrohe auch hunderttausende von Arbeitsplätzen - gefährliche Arbeitsplätze übrigens. Weltweit arbeiten ca. 15 Millionen Menschen in der Fischerei, jährlich sterben dabei etwa 24.000, wie der FAO-Bericht festhält. Die Todesfallrate in der Hochseefischerei sei damit höher als im Bergbau oder in Steinbrüchen.

Auch jenseits der Klimaproblematik zeichnet der Weltfischbericht ein deprimierendes Bild. Die seit Jahren geforderte Trendwende in der Fischerei ist nicht in Sicht. Die Plünderung der Meere geht weiter, und der Anteil der überfischten oder bis an die Grenze der biologischen Bestandsfähigkeit ausgebeuteten Fischbestände ist von 2004 bis 2006 weiter angewachsen: von 77 auf 80 Prozent.

Am dramatischsten sei die Überfischung im nordwestlichen Atlantik, im westlichen Indischen Ozean und im Nordwesten des Pazifiks, also vor der japanischen und chinesischen Küste - das Resultat "einer Überkapazität an Fischfangfahrzeugen und hoch effektivem Fanggerät".

Der Anteil der nur "moderat" genutzten oder "unterfischten" Fischbestände hat sich laut FAO seit den Siebzigerjahren von 40 auf 20 Prozent halbiert. "Unser Guthabenkonto wird immer kleiner", kritisiert WWF-Fischereiexpertin Karoline Schacht: "Die weltweite Fischerei ist ein Verlustgeschäft für Mensch und Natur. Sie könnte bis Mitte des Jahrhunderts komplett zusammenbrechen." In 40 Jahren werde es demnach keinen Fisch mehr geben (siehe Interview).

Bereits jetzt ist der Fischfang nach FAO-Angaben rückläufig, das maximale Potenzial des Fangs wildlebender Meeresfische sei überschritten.

Verantwortlich für diese Entwicklung sei das bisher zu wenig auf Bestandserhaltung ausgerichtete Management der Ressource Fisch, meint die FAO. Eine Einschätzung, angesichts deren ihr erneuter Aufruf, die von ihr schon 1995 formulierten freiwilligen Richtlinien doch nun bitte endlich einzuhalten, recht hilflos klingt. Denn praktisch keine der Fischereinationen hält sich bisher daran, obwohl sich die Fischereibranche mit der fortgesetzten Plünderung der Bestände selbst schadet. Hätten sich beispielsweise die EU-Länder rechtzeitig auf eine nachhaltige Bewirtschaftung der Kabeljaubestände in der Nordsee verständigt, wäre die Population dort heute so groß, dass die Fischer gefahrlos 140.000 Tonnen im Jahr fangen könnten - anstatt der gegenwärtigen 24.000 Tonnen.

Die FAO fordert ein "verantwortlicheres Fischereimanagement", mehr Schutzgebiete und fischereifreie Zonen sowie eine Ausweitung der Aquakultur. Zudem sei ein verlässliches Zertifikationssystem notwendig, damit die Konsumenten durch gezielten Verzicht zur Rettung bedrohter Arten beitragen könnten.

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