Forensikerin über Heilbronner Ermittlerpanne: "Eine heikle Geschichte mit der DNA"

Kontaminiertes Arbeitsmaterial bei DNA-Analysen gibt es immer wieder, sagt Nicole von Wurmb-Schwark, Professorin für forensische Genetik in Kiel.

Doch nicht so unanfechtbar, wie uns Serien wie CSI und Co glauben machen wollen? DNA-Proben. Bild: ap

Erstmals gaben deutsche Ermittlungsbehörden 1988 eine DNA-Analyse in Auftrag, um einen Verdächtigen zu überführen. Im September 1990 fällt der Bundesgerichtshof ein Grundsatzurteil: Der DNA-Fingerabdruck ist zur Aufklärung schwerer Verbrechen als Beweismittel zulässig, die Gen-Analyse dann gerechtfertigt, wenn keine Informationen über genetische Eigenheiten des Angeklagten gewonnen werden. Laut Bundeskriminalamt wurden mit der Methode der DNA-Analysen fast alle Arten von Straftaten ermittelt, vor allem Diebstahldelikte, Raub und Erpressung sowie Sexualstraftaten. Seit 1998 existiert im Bundeskriminalamt in Wiesbaden eine zentrale DNA-Analyse-Datei, zu der auch die Landeskriminalämter Zugang haben.

taz: Frau Professor von Wurmb-Schwark, wie kann es passieren, dass die Polizei jahrelang einem Phantom hinterherjagt, obwohl die DNA-Spuren offenbar bei der Herstellung des Arbeitsmaterials entstanden?

Nicole von Wurmb-Schwark: Zum Fall selbst kann ich nichts sagen, weil wir daran nicht beteiligt sind. Das ist aber eine heikle Geschichte mit der DNA. Wenn man da nicht sauber arbeitet, können die Abstriche, aber auch Gefäße kontaminiert sein. Diese Abstriche, diese Tupfer sind, so muss man sich vorstellen, wie große Q-tips, große Wattestäbchen.

Gibt es nicht Möglichkeiten, irreführende Ergebnisse zu vermeiden, indem man verfälschende DNA-Partikel herausfiltert?

Normalerweise lässt man auch mal Negativkontrollen mitlaufen. Dabei arbeitet man die Abstriche ohne alles auf. Das heißt, man nimmt einen nicht verwendeten Tupfer und behandelt ihn so, als wäre eine Spur drauf. Und wenn tatsächlich eine Spur drauf ist, dann ist klar, man hat ein Problem. Wir machen hier im Labor häufig Negativkontrollen, beispielsweise an unseren Gefäßen.

Also haben die zuständigen Kriminalisten in dem Fall des Phantoms offenbar versäumt, diese Negativkontrollen durchzuführen, um eine Verunreinigung auszuschließen?

Ich kann nur sagen, dass es mit den Negativkontrollen wiederum auch nicht so einfach ist. Wenn ich jetzt 100 Abstriche habe und nehme 2 davon raus und teste die, dann kann es sein, dass die sauber sind. Die nächsten 3 aber sind es vielleicht nicht. Ich kann also das Risiko, zu falschen Ergebnissen zu kommen, immer nur minimieren. Wir lassen manchmal 20 Gefäße einfach so laufen, als Negativkontrolle, um zu gucken, ob die sauber sind. Dann kann es aber trotzdem passieren, wenn wir die nächste Packung aufmachen, dass da was drinnen ist.

Es gibt ja die Idee von Kriminalisten, ein Gütesiegel auf den Packungen einzuführen oder genetische Informationen der an der Herstellung beteiligten Mitarbeiter mitzuliefern.

Mit der Packung einen genetischen Code der Mitarbeiter mitzuliefern, halte ich für nicht machbar. Das wäre auch gegen den Datenschutz. Aber die Packungen haben ja Nummern. Dann kann man sich im Zweifelsfall an den Hersteller wenden. Der Hersteller könnte das dann mit seinen Mitarbeitern abgleichen. Bei uns im Labor sind alle, die hier arbeiten, genetisch typisiert. Wenn wir aus einem Haar einen genetischen Fingerabdruck bekommen, dann gucken wir erst, ob das einer von uns ist. Erst dann geben wir es heraus.

Wer will, kann die Polizei doch leicht in die Irre führen, indem er an verschiedensten Tatorten DNA-Proben hinterlässt, die gar nicht von ihm stammen. Darüber gibt es sogar Hollywoodfilme.

Sicher. Deswegen gibt es ja auch Ermittlungsbehörden und deswegen hängt die Sache fast nie an der DNA-Untersuchung alleine.

Kann man nicht feststellen, ob am Tatort mit DNA-Proben manipuliert wurde?

Bei den Abrieben kann man nicht feststellen, wo genau die DNA herkommt. Die Spurensicherung nimmt da einen Tupfer, macht den nass, reibt ihn etwa über den Telefonhörer oder die Türklinke und verpackt dies steril. Man lässt den Tupfer trocknen, dann kommt er in eine Pufferlösung hinein. Dann werden die Zellen aufgeknackt, wenn welche drin sind, und die DNA fällt gewissermaßen heraus. Aber woher dann genau die Zelle kommt, kriegt man erst mal nicht auseinanderklabüstert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.