Europa demonstriert gegen Kapitalismus

BERLIN/FRANKFURT taz/dpa ■ Zehntausende Menschen sind in deutschen und europäischen Städten am Wochenende aus Protest gegen die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Straße gegangen. In Berlin sollen es nach Angaben der Veranstalter rund 30.000 Menschen gewesen sein, die Polizei sprach von 15.000 Teilnehmern, Frankfurt brachte zwischen 12.000 und 25.000 Demonstranten auf die Straße.

Protestmärsche gab es aber auch in London, Wien und Genf, in Madrid, Paris, Rom und Oslo. Allein in London, wo am 2. April die Regierungsvertreter der 20 größten Industrie- und Schwellenländer zusammenkommen werden, demonstrierten 35.000 Menschen unter dem Motto „Put People first“.

In Rom zogen bis zu 50.000 Menschen durch die Stadt. Sie protestierten sowohl gegen das im Moment in Rom stattfindende G-8-Treffen der Arbeits- und Sozialminister als auch gegen die Ende vergangenen Jahres verabschiedete Bildungsreform. In Paris wiederum schütteten ein paar hundert Demonstranten vor der Pariser Börse einen Sandhügel auf, dekorierten ihn mit Minipalmen und verteilten aus Protest gegen Steuerparadiese falsche Banknoten.

Fast allen Rednern auch bei den deutschen Protestaktionen gemeinsam war die Aufforderung, sich in Dimension und Intensität an den Protesten in Frankreich zu orientieren. Dort waren in den vergangenen Monaten mehrere Millionen Menschen auf die Straße gegangen, um für soziale Maßnahmen zu protestieren. Erst vor zehn Tagen legte ein Generalstreik das Land lahm. Gleiches wünschten sich die Redner und Demonstranten auch für Deutschland. Applaus gab es nicht nur für Forderungen nach einem Generalstreik, sondern auch für kapitalismuskritische Parolen. „Kapitalismus abwracken!“, riefen etwa die beiden Rednerinnen vom antikapitalistischen Block, „die Überführung der Banken in die öffentliche Hand“, forderte Alexis Passadakis von Attac. Er bezeichnete den Neoliberalismus als Angriff auf die Demokratie und forderte eine „Wirtschaft jenseits von Export- und Wachstumswahn“. Es gehe nicht nur um ein neues Finanz-, sondern auch um ein neues Weltwirtschaftssystem. Dazu gehörten die Überführung der Banken in die öffentliche Hand, das Ende der globalen Standortkonkurrenz und eine „Reichensteuer“.

Während der Linken-Parteichef Oskar Lafontaine in Frankfurt mit Eiern beschmissen wurde, redete Fraktionschef Gregor Gysi in Berlin ungehindert. Er forderte die Verstaatlichung der Großbanken. Nur wenn es einen wachsenden zivilgesellschaftlichen Widerstand gebe, sei es möglich, eine Sozialisierung der Verluste zu verhindern, sagte Gysi.

In Berlin wie in Frankfurt bildete ein breites Spektrum von Gewerkschaftern und Betriebsräten über linke Gruppen und Schüler bis hin zu Politikern die Teilnehmer- und Rednerschaft.

Obwohl im Vorfeld explizit der Wunsch nach einer friedlichen Demonstration geäußert wurde, kam es gegen Ende zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei; mehrere Teilnehmer wurden festgenommen. Sowohl aufseiten der Beamten als auch aufseiten der Demonstranten gab es leicht Verletzte. FLEE, SVE