Unter uns – das Handwerk, die Kritik und die blöde Masse

KRITISCHE ÖFFENTLICHKEIT Hans-Ulrich Jörges, Maria Kniesburges, Tom Schimmeck und Klaudia Wick

Vielleicht war es zu früh am Morgen. Vielleicht hatten alle am Abend zuvor zu viel gefeiert. Vielleicht fehlte Stefan Niggemeier von bildblog.de, weil man ihm eine spätere Zeit genannt hatte. Oder es war der Veranstaltungstitel „das große Blablabla“. Jedenfalls verlief die Podiumsdiskussion darüber, was heute noch „kritische Öffentlichkeit“ bedeutet, nicht so kritisch, wie man es sich gewünscht hätte. Hans-Ulrich Jörges vom Stern, Maria Kniesburges von Verdi Publik, die Autorin Klaudia Wick, der Journalist Tom Schimmeck und Bascha Mika von der taz tauschten sich eloquent und mit Witz über das eigene Tun aus.

Die Öffentlichkeit im Saal war da schon kritischer. Nachdem alle auf dem Podium sagen durften, was sie für eine kritische Öffentlichkeit halten und wie es um sie bestellt ist (das ging von: Sie ist viel größer als früher, man schaue auf das Internet, ach ja, bis hin zu: Es gibt viel kritische Öffentlichkeit – für die, die sie erleben wollen, aber die Masse ist völlig entgeistet) kamen die Beiträge aus dem Saal. Ein Herr Schmidt, selber „Schreiberling“, wie er sagte, meinte, der Journalismus habe sich mit einer völlig gleichförmigen Berichterstattung über das Wirtschaftssystem desavouiert. Ein junger Mann, der seine Diplomarbeit über Doping im Radsport geschrieben hat, sagte, die Skandale, über die die Medien so ausführlich berichteten, führten letztlich zu einer Stabilisierung des Systems.

Um das System ging es auf dem Podium selten. Man sprach stattdessen über das Handwerk der Journalisten. Saubere Recherche, Hinterfragen und Dranbleiben an Themen machten eine kritische journalistische Arbeit aus. Aber das, so sind sich denn doch alle einig, passiere ja ständig. Ungelöst blieb ein anderes Problem: Wie kann die Öffentlichkeit, also die große Masse, erreicht werden? Was nutzt der kritischste Bericht, wenn ihn nur ein kleiner, eh schon kritischer Kreis von Menschen sieht?

Einig waren sich Publikum wie Podium in einem Punkt: Die große Zahl von PR-Leuten und Pressesprechern und die Menge an die Institute und Stiftungen, die Studien in Auftrag geben stets die gleichen Ergebnisse auf die Schreibtische der Redakteure befördern, sind ein Übel. Ihrer Macht, Meinungen zu machen, müsse etwas entgegengesetzt werden. Das wäre ein schönes Thema für einen kritischen Hintergrundbericht. Mal sehen, wen er erreicht. FRAUKE BÖGER