Treffen der Generationen

DIE TAZ Beim „tu was“-Kongress in Berlin trafen sich taz-GründerInnen und Neulinge. Alle vermissen die alte tageszeitung. Über die Zeitung von heute gehen die Meinungen allerdings auseinander

VON HANNAH STAUSS, BENJAMIN LAUFER, ALBERT HAHN

Er ist taz-Mann der ersten Stunde: Hans-Christian Ströbele (69) wundert sich, wie das Projekt der taz damals klappen konnte. „Aber es bestand eine Notwendigkeit für eine solche Zeitung“, sagt der heutige Grünen-Politiker – und dass so etwas heute nicht mehr funktionieren würde. Er spricht lieber von der Vergangenheit als von der digitalen Zukunft des Blatts: Wie er mit FreundInnen die Idee zu einer neuen Zeitung hatte und sie sich in seinem Anwaltsbüro, in Kneipen oder sogar in Ställen trafen. Seitdem sei die Geschichte der taz eine „Geschichte der Krisen“ gewesen, vor allem ökonomisch gesehen – Ströbele wirkt fast erstaunt, dass er jetzt ihren 30. Geburtstag erlebt. Vieles habe sich verändert, doch Veränderung war auch lebensnotwendig für die taz. Heute liest er sie wie jede andere Zeitung, und auch er wird von den RedakteurInnen behandelt wie jeder andere auch. „Früher kannte ich neunzig Prozent der Redaktion, heute kenne ich fünf“, sagt er. Veranstaltungen wie der taz-Kongress sind für ihn wie „Klassentreffen“, und vielleicht ist der Politiker hier so etwas wie der ehemalige Klassensprecher.

Ich bin nicht so wirklich politisch“, sagt taz-Neuling Franziska Seyboldt (25). Trotzdem wäre sie gerne von Anfang an dabei gewesen – der Aufbruchsstimmung wegen: „Einfach eine Tageszeitung machen zu wollen, obwohl man keine Ahnung davon hat, das finde ich super!“ Seyboldt wünscht sich die alte Tageszeitung trotzdem nicht zurück: „Es wird schon seinen Grund haben, warum sich die taz verändert hat.“ Die 25-Jährige arbeitet seit vergangenem Jahr in der Onlineredaktion in der Rudi-Dutschke-Straße. Mittlerweile ist sie überzeugt vom Konzept und der einzigartigen Kollegialität. Auch die Freiheit schätzt sie: „Ich finde es super, dass man in der taz einfach schreiben kann, wie man will.“ Ihre älteren KollegInnen seien oft nicht offen für Neues, so ihre einzige Kritik. Sie würden sich zu sehr an alte Zeiten und Formate klammern. „Da sollte sich die taz mehr öffnen“, wünscht sich die Redakteurin.

Michael Sontheimer (54) hat diese alten Zeiten erlebt und die tageszeitung mit aufgebaut. „Weg damit, wir machen was anderes!“, hätte er gesagt, wenn er die heutige Zeitung damals in die Hände bekommen hätte. „Die taz ist keine Zeitung mehr, die das System radikal in Frage stellt“, meint der Spiegel-Redakteur. Für ihre MacherInnen war die taz kein Arbeitgeber, sondern eine Lebensaufgabe. Es gab anfangs keine offiziellen Hierarchien, keine RessortleiterInnen und erst recht keine ChefredakteurInnen. Hierarchiefrei war sie deswegen trotzdem nicht: „Wer am lautesten schrie, setzte sich durch“, erinnert sich Sontheimer. Idee gut, Umsetzung mangelhaft. Er verließ die taz bereits nach vier Jahren und ging zur Zeit. „Mir ging die ganze Selbstverwaltung auf die Nerven“, bemerkt er. Treu ist er der taz heute noch, aktuell als Kurator der Pantherstiftung. „Wenn man der taz nahe steht, kann man sich über jeden zweiten Artikel ärgern“, sagt er. Aber das mit Leidenschaft.