Magna und die Opelaner: Angst vor dem "sozialen Blutbad"

Unter den Opel-Arbeitern wächst die Kritik an Magna. Dennoch ist der österreichisch-kanadische Zulieferer der Favorit der Beschäftigten.

Kein besseres Angebot? Dann doch mit Magna verhandeln - so sehen es viele Opelaner. Bild: dpa

RÜSSELSHEIM taz | "Ein Durcheinander, dass es die Sau graust!", kommentierte der für Opel zuständige Bezirksleiter der IG Metall, Armin Schild, am Dienstagabend die Lage an der Übernahmefront. Da war gerade bekannt geworden, dass der US-Finanzinvestor Ripplewood und seine belgische Tochterfirma RHJ International tags darauf bei der Bundesregierung ihr "verbessertes" Angebot für Opel einreichen würden. Und auch, dass der staatlich kontrollierte chinesische Nutzfahrzeughersteller BAIC (Beijing Automotive International Corporation) längst den Flug von Detroit nach Berlin gebucht habe; ebenfalls mit einem "verbesserten Angebot" im Gepäck.

Noch dazu schockte der bisherige Favorit des Topmanagements und der Arbeitnehmervertreter von Opel, der kanadisch-österreichische Autozulieferer Magna, die Beschäftigten mit einer neuen Wendung: Magna verlangt jetzt plötzlich nicht mehr nur den Abbau von rund 10.000 Arbeitsplätzen in den europäischen Werken von GM und den Verzicht der Arbeitnehmer auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sondern auch die Einführung einer Leiharbeiterquote von bis zu 30 Prozent. Darüber hinaus sollen die Betriebsrenten und die Löhne "eingefroren" und für neue Mitarbeiter keine Betriebsrentenverträge mehr abgeschlossen werden.

Das Europäische Arbeitnehmerforum von Opel und Vauxhall reagierte prompt. Das neue Konzept von Magna mit dem Titel "Memorandum of Understanding" sei "einstimmig abgelehnt" worden, berichtet der Vorsitzende der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, Oliver Burkhard. Dass die europäischen Arbeitnehmervertreter, dem der Rüsselsheimer Betriebsrat Klaus Franz vorsitzt, zugleich sein Votum für Magna bekräftigte, machte die allgemeine Verunsicherung der Belegschaftsmitglieder und der Bevölkerung an den Standorten dann komplett.

"Sind die jetzt alle verrückt geworden?", lautete am Mittwoch der Standardkommentar der Opelrentner in der Rüsselsheimer City. Die in der Stadt meinungsbildende Kritikaster der Generation 65 plus trifft sich vor dem "Adam", dem Opeldenkmal am Bahnhof oder im Café des Bäckerladens. Bei den Beschäftigten dagegen geht wieder die Angst um - die Angst vor dem Konkurs, der durch den Vorvertrag mit Magna bereits abgewendet schien.

Vor allem im Werk Bochum formiert sich zudem Widerstand gegen Magna. Allerdings plädiert auch der dortige Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel für eine Fortsetzung der Gespräche mit Magna, "solange uns kein besseres Angebot vorliegt".

Das scheint nicht der Fall zu sein. Der Gesamtbetriebsrat, dem ebenfalls der Rüsselsheimer Klaus Franz vorsitzt, lehnt eine Übernahme durch RHJ strikt ab. In einem Flugblatt warf der Betriebsrat der Firma vor, nur als Strohmann für GM zu fungieren. Nach der erfolgten Übernahme, so wurde darin gemutmaßt, werde Opel so schnell wie möglich an GM zurückverkauft werden. Auch wenn RHJ derlei Absichten nach Bekanntwerden des Flugblatts umgehend dementierte, ist Fakt, dass GM gerade am Standort Rüsselsheim in den letzten Jahren Milliarden investiert hat: für den Bau der immer noch modernsten Autofabrik der Welt (Leanfield) und den Ausbau des Technischen Entwicklungszentrums. Schon vor Monatsfrist waren in Rüsselsheim Befürchtungen laut geworden, dass GM nicht bereit sein werde, das alles einem Käufer nur für eine Handvoll Dollar zu überschreiben.

Der Vizevorsitzende des Europäischen Arbeitnehmerforums, Rudi Kennes, kündigte für den Fall der Übernahme durch RHJ ein "soziales Blutbad" an. Der offenbar längst auch für die abgetauchte Führung der Opel GmbH sprechende Franz hatte zuvor schon Front gegen den chinesischen Interessenten BAIC gemacht. Diese sei nur am Technologietransfer interessiert.

Also doch lieber Magna? Die Bosse dort scheinen neu zu überlegen. Denn die Kunden von Magna - und das sind fast alle Autobauer in Europa und Amerika - monieren inzwischen, dass ihr Zulieferer mit der Übernahme von Opel zum direkten Konkurrenten werde. Aus GM-Kreisen jedenfalls war am Mittwoch zu hören, dass RHJ nun der neue Favorit sei; man wolle Opel wiederhaben - wohl auch aus strategischen Gründen, wie Branchenanalysten zu wissen glauben.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Der Betriebsrat glaubt, dass GM Opel zurückkaufen will und den Investor Ripplewood als Strohmann benutzt

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