Harte Schläge gegen die Hoffnung

Afrika bekommt die Folgen der Lehman-Pleite besonders stark zu spüren, obwohl es mit den Ursachen am wenigsten zu tun hat. 8 bis 10 Millionen Menschen werden zusätzlich in absolute Armut hineinschlittern. Das bedeutet den Tod von bis zu 50.000 Kindern

Die Versprechungen der internationalen Gemeinschaft erweisen sich größtenteils als Humbug

AUS KAMPALA DOMINIC JOHNSON

Die Aufregung war groß in Mbuji-Mayi an jenem staubigen Mittwochmorgen, als wieder einmal 18 Tote zu Grabe getragen wurden. Sie starben beim Einsturz einer selbst gebauten Diamantenmine am Rande der 3-Millionen-Einwohner-Metropole tief in der Demokratischen Republik Kongo. Die Opfer eines Erdrutsches in der Nacht zum 19. August ein Symbol für den Kollaps der Wirtschaft in einem der einst wichtigsten Rohstoffgebiete Afrikas.

Kongo besitzt einige der reichsten Diamantenvorkommen der Welt, aber seit Mitte November 2008 hat der bankrotte staatliche Förderer Miba (Minière du Bakwanga) seine Arbeit komplett eingestellt. Mbuji-Mayi, Hauptstadt der kongolesischen Provinz Ost-Kasai mit drei Millionen Einwohnern ohne modernes Straßennetz oder verlässliche Wasser- und Stromversorgung, steht nun am Rande des Hungers und des Krieges. Denn normalerweise lebt die Stadt von den Einnahmen der Miba. Das waren zuletzt zwar nur 2,5 Millionen Dollar im Monat – aber das ist hier der Unterschied zwischen Leben und Tod.

Keine einzelne Stadt Afrikas ist wohl härter getroffen von der Weltwirtschaftskrise als Mbuji-Mayi. Aber das Drama der Diamantenförderung im Kongo ist nur ein besonders hartes Beispiel. In Namibia und Botswana, zwei ökonomische Musterländer Afrikas, machte der südafrikanische Diamantenförderer De Beers in diesem Jahr sämtliche Minen drei Monate lang komplett dicht. Namibias Förderung ist in der ersten Jahreshälfte 2009 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 60 Prozent eingebrochen, De Beers verzeichnete im ersten Quartal einen Rückgang um sogar 90 Prozent. Gerade jener Rohstoffsektor, der seinen Ruch der Kriegsfinanzierung am erfolgreichsten durch ein komplexes Regelwerk losgeworden ist, leidet nun am meisten.

Mehr Armut, mehr Tote

Acht bis zehn Millionen Menschen zusätzlich dürften in ganz Afrika dieses Jahr in absolute Armut hineinschlittern, erklärte die Weltbank diese Woche – mit der Konsequenz von 30.000 bis 50.000 zusätzlichen, vermeidbaren Todesfällen bei Kleinkindern. Afrikas Volkswirtschaften werden dieses Jahr laut Weltbankprognose um 1,7 Prozent wachsen und liegen damit unter dem Bevölkerungswachstum. Länder und Regionen, die sich auf einzelne Bereiche des Rohstoffexports spezialisiert haben, ob Diamanten oder Öl, brechen am tiefsten ein.

Regierungen, die die Vorgaben der internationalen Geldgeber am eifrigsten befolgt und ihre Wirtschaft am meisten geöffnet haben, stehen jetzt als die Dummen da, denn fast alle größeren Investitionsprojekte sind auf Eis gelegt. In ganz Afrika sind nach jüngsten Berechnungen Auslandsinvestitionen von 82 Milliarden Dollar entweder eingefroren oder verschoben. Die Neuinvestitionen schrumpfen dieses Jahr gegenüber 2008 von 32,7 auf 26,7 Milliarden Dollar. Im Bürgerkriegsgürtel Westafrikas, der von Guinea über Sierra Leone und Liberia bis in die Elfenbeinküste reicht, kippen reihenweise die Hoffnungsträger des Aufbaus: der Ausbau der Bauxitmine Simandou in Guinea durch den Bergbauriesen Rio Tinto im Wert von 6,5 Milliarden Dollar, die Eisenerzmine Bong in Liberia im Besitz von Arcelor Mittal, Investitionssumme 1,5 Milliarden. Parallel dazu konstatiert die UNO in Westafrika eine Zunahme des Drogentransits aus Lateinamerika und eine Kriminalisierung von Wirtschaft und Staat.

Ganz einheitlich ist die Katastrophe natürlich nicht. Die von der Finanzkrise ausgelöste Rezession folgte direkt auf eine Ernährungskrise, als weltweite Spekulation die Lebensmittelpreise in ungeahnte Höhen trieb. Dies stürzte viele Städter in Armut, nützte aber vielen Bauern. Seither sind die Preise nicht wesentlich gesunken, aber nun fallen in vielen Städten auch noch Einkommen aus. Die Armut breitet sich immer weiter aus.

Warnungen, dass in Afrikas Metropolen eine soziale Explosion droht, sind durchaus ernstzunehmen. Am vergangenen Donnerstag eskalierte in Ugandas Hauptstadt Kampala ein alter Streit zwischen Regierung und Großhändlern um Eigentumsrechte auf den innerstädtischen Märkten in massive Gewalt, bei der arbeitslose Jugendliche und die Polizei aufeinander losgingen, gestärkt durch ethnische Ressentiments in einem zunehmend aufgeheizten Vorwahlklima.

Während abends Gerüchte von immer mehr Toten die Runde machten und die Armee auffuhr, sorgten sich Ugander um mögliche ethnische Säuberungen durch ein perspektivloses, gewaltbereites Lumpenproletariat.

IWF-Geld kommt nicht an

Die Versprechungen der internationalen Gemeinschaft, die ärmsten Länder der Welt beim Bewältigen der Krise nicht zu vergessen, erweisen sich derweil größtenteils als Humbug. Nach einer neuen Studie, die vorletzte Woche dem Europaparlament vorgestellt wurde, sind von den neuen Geldern, die der Internationale Währungsfonds nach der Aufstockung seiner Mittel durch den G-20-Gipfel von London Anfang April zur Krisenüberbrückung verteilen konnte, 82 Prozent nach Europa gegangen und lediglich 1,6 Prozent nach Afrika.

Der Afrika-Chefökonom der Weltbank, Shanta Devarajan, rechnete diese Woche in Südafrika vor, dass die G-8-Länder bei der Einlösung ihrer Hilfsversprechen für Afrika inzwischen mit rund 20 Milliarden Dollar im Verzug lägen, was allerdings eine lächerliche Summe wäre angesichts der Rettungspakete der reichen Industrienationen für ihre Banken. Afrika leide mehr als jeder andere Kontinent unter den Folgen der Krise, obwohl es mit ihren Ursachen am wenigsten zu tun habe, erklärte Devarajan.