Selbst ist der Klimaretter

UGANDA Als eines der ärmsten Länder der Welt müsste Uganda seine CO2-Emissionen nicht reduzieren. Dennoch hat sich die Regierung freiwillig dazu verpflichtet. Der Leiter des Klimawandel-Referats, Lawrence Aribo, erklärt, warum sich sein Land nicht allein auf die Industrienationen verlassen kann

Die größten Aufgaben muss Aribo nicht in Kopenhagen, sondern in seiner Heimat bewältigen

AUS KAMPALA SIMONE SCHLINDWEIN

Lawrence Aribo ist im Stress – ein Zustand, den man in Uganda nicht wirklich kennt. Doch dem Chef des neu eingerichteten Klimawandel-Referats sieht man an: Er steht unter großem Druck. Er hockt auf einem Stuhl an seinem Schreibtisch in dem kleinen, verwinkelten Büro, in das nur wenig Licht hereinfällt. Mit müden Augen blinzelt er auf seinen Bildschirm. Die Zeit ist knapp, und das Positionspapier über das Sinken des Wasserspiegels des Victoriasees muss noch einmal überarbeitet werden, damit der ugandische Minister für Wasser und Umwelt, Maria Mutagamba, auf der Klimakonferenz in Kopenhagen dazu Stellung nehmen kann.

Mit einer 56-köpfigen Delegation wird Uganda dort vertreten sein, darunter Minister und Staatssekretäre, Abgeordnete, Wissenschaftler und Geschäftsleute und der Staatspräsident Yoweri Museveni. Für sie hat Aribo in den vergangenen Wochen in seinem dunklen Büro im Erdgeschoss eines fünfstöckigen Bürogebäudes in der staugeplagten Innenstadt Kampalas Reden, Stellungnahmen und Argumentationspapiere verfasst. Auch Hintergrundberichte musste er vorbereiten, die beispielsweise den Zusammenhang zwischen dem weltweiten Klimawandel und der Zunahme von Malariaerkrankungen in Uganda erklären. „Die Auswirkungen sind komplex und vielfältig“, seufzt er. Und Aribos Aufgabe ist es, diese vielschichtigen Folgen des Klimawandels verständlich und glaubwürdig darzulegen.

Der kleine, etwas schüchterne Mann mit den schon ergrauten Haaren zählt zu der kleinen Riege international ausgebildeter Meteorologen in Uganda. Während seines Masterstudiums an einer holländischen Universität spezialisierte er sich auf den Klimawandel: „Ich bin im Winter in Europa angekommen und fand es dort eiskalt“, erzählt er schmunzelnd. Doch die Holländer hätten beteuert, dass es längst nicht mehr so kalt sei wie einst. Aribo reibt seine Handflächen aneinander, als würde es ihn bei diesem Gedanken immer noch frösteln: „Dabei ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass wir dringend handeln müssen, um die Erderwärmung zu stoppen.“

Aribo weiß wie kaum ein anderer in Uganda: Die Entscheidungen, die in Kopenhagen getroffen werden, sind für sein Land überlebenswichtig. „Wir zählen zu den Ländern, die vom Klimawandel am schlimmsten betroffen sind“, wiederholt er immer wieder, während er in seinem Notizbuch eine Landkarte von Uganda skizziert. Mit feinen Strichen versieht er die nordöstliche Region Karamoja: „Hier verlängern sich die extremen Dürreperioden“, erklärt er. Seit vier Jahren seien die Niederschläge so gering, dass dort kaum mehr ein Grashalm wachse. Die Folge: Die Viehhirten von Karamoja wandern auf der Suche nach Weideland mit ihren Rinderherden nach Westen – ein Konfliktrisiko in einem Land wie Uganda, das mit 3,2 Prozent den höchsten Bevölkerungszuwachs der Welt aufweist.

Aribo zeichnet weiter: Entlang der Bergkette des Ruwenzori-Gebirges im Westen Ugandas, der natürlichen Grenze zum Ostkongo, malt er kleine Sternchen und lang gezogene Wellenlinien. Mithilfe von Satellitenbildern hat er ausgerechnet: Die Gebirgsgletscher schmelzen unaufhaltsam. Die Folge: „Das Schmelzwasser überschwemmt die Flussbecken, und die Erosion reißt den wertvollen Boden mit sich“, sagt er und malt eine breite Schlangenlinie dort, wo die Grenze zwischen Uganda und Kongo verläuft. Der Fluss Semliki gilt seit Kolonialzeiten als offizielle Staatsgrenze zwischen den Nachbarländern. Doch der Verlauf des Flusses habe sich in den vergangenen Jahrzehnten verschoben. „Hier hat der Klimawandel auch politische Folgen“, nickt er, denn Uganda verliere staatliches Territorium. Seitdem in der Region Öl entdeckt wurde, streiten sich die Nachbarstaaten um jeden Quadratmeter.

Aribo deutet mit seinem Kugelschreiber auf die eingezeichneten Sternchen: „Das sind Moskitos“, sagt er verschmitzt. Die höher gelegenen Dörfer am Fuß der Berge galten bislang als malariafreie Zone. „Durch den Temperaturanstieg brüten nun die Moskitos auch in dieser Region“, sagt er und hebt den Stift wie ein Lehrer den Zeigefinger: „Höhere Temperaturen zerstören aber nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch unsere Wirtschaft“, mahnt er und malt Punkte überall dort, wo auf den Hügeln im Westen und Süden des Landes Kaffeebohnen angebaut werden. Kaffee ist das wichtigste Exportprodukt Ugandas. Doch die Sträucher wachsen nur in kühleren Regionen. „Wenn sich die Erde um nur 2 Grad erwärmt, wächst hier kein Kaffee mehr.“

Aribo lehnt sich in seinem Stuhl zurück, zeigt auf seine jüngste Studie, die hinter ihm im Regal steht. Ähnliche Folgen könne die Erwärmung auch für andere Pflanzen haben, für Baumwolle, Maniok, Reis, Bohnen, Mais und Bananen. Uganda gilt mit seinen fruchtbaren Böden als Brotkorb der Region. Aribo streckt die Hände gen Himmel und legt die Stirn in Falten: „Was um Gottes willen machen wir, wenn Fluten oder Trockenzeiten die Ernte zerstören?“

Uganda gehöre zwar der Gruppe der am geringsten entwickelten Länder an, die laut dem 1997 verabschiedeten Kioto-Protokoll nur 3,5 Prozent der weltweiten Treibhausgase verursachen und ihre Emissionen deshalb bislang nicht reduzieren müssen. Doch auch die ugandische Wirtschaft wächst: Immer mehr Autos und Lastwagen verschmutzen die Luft, Industriebetriebe siedeln sich an, bald wird in Uganda Öl gefördert. „Dafür müssen wir Verantwortung tragen und sie nicht nur von anderen verlangen“, sagt er. Sein Land dürfe sich nicht darauf verlassen, dass die Industrieländer sich dazu verpflichten, ihrer Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren. „Deswegen haben wir uns freiwillig dazu verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren“, sagt er und wirkt dabei ein wenig stolz.

Ideen, wie sein Land dies erreichen kann, hat Aribo viele: Der öffentliche Personennahverkehr solle ausgebaut und die aus Kolonialzeiten stammenden Eisenbahntrassen sollen wieder flottgemacht werden. Staudämme sollen entlang dem Nil errichtet werden, um die ländlichen Regionen mit Strom zu versorgen. Er träume von alternativen Energiequellen wie Sonnenlicht und Biogas, gibt Aribo zu. Doch: „Diese Projekte sind sehr teuer und allein die Projektplanungen sprengen unser Budget.“

Immerhin, Uganda ist hier seinen Nachbarländern voraus. Die Regierung hat Aribo bereits im laufenden Staatshaushalt umgerechnet rund 34.000 Euro zur Verfügung gestellt, um Maßnahmen zu entwickeln, wie Uganda dem Klimawandel entgegenwirken kann. Davon wurde Aribos Klimawandel-Referat aufgebaut. Doch das Geld reiche bei Weitem nicht aus, um voranzukommen, seufzt er. „Wir brauchen im nächsten Haushaltsjahr mindestens das Zehnfache“, meint er.

Tatsächlich fehlt es noch an grundlegenden Dingen: Uganda verfügt nicht einmal über genug Messstationen, um Temperaturveränderungen und Niederschlagsmengen in den verschiedenen Regionen des Landes messen zu können. Um Aribos Referat für die kommenden Herausforderungen fit zu machen, benötige Uganda finanzielle und technologische Unterstützung.

Deswegen haben sich die afrikanischen Staaten auf einer Konferenz im August darauf geeinigt, in Kopenhagen geschlossen aufzutreten. Sie fordern: 67 Milliarden Dollar jährliche Kompensation von den Industriestaaten, den Hauptverursachern des weltweiten Klimawandels. Kein Geld – keine Folgevereinbarung zum 2012 auslaufenden Kioto-Protokoll, scheint hier die Parole zu sein.

Das geht Aribo dann doch zu weit. Ein Scheitern des Kopenhagener Gipfels könne sich Uganda nicht leisten, mahnt er: „Wir benötigend dringend einen Nachfolgevertrag für das Kioto-Protokoll, das den voraussichtlichen Temperaturanstieg auf 2 Grad Celsius begrenzt.“

Denn selbst ein Temperaturanstieg um diese 2 Grad hätte für die Menschen in Uganda bereits schlimme Folgen. „Doch 3 oder sogar 4 Grad wärmer, das wäre eine Katastrophe“, seufzt er. Deshalb ist sein Ziel in Kopenhagen, unbedingt einen Kompromiss zwischen den Entwicklungs- und den Industrieländern zu erzielen. „Wir sagen, wir verpflichten uns freiwillig zur Emissionsreduzierung, dafür sollen uns dann die Industrienationen aber auch einen Schritt entgegenkommen.“

Aribo weiß allerdings auch, dass die größten Aufgaben nicht in Kopenhagen auf ihn warten, sondern in seiner Heimat zu bewältigen sind. In Uganda ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. „Es ist nicht einfach, einem ugandischen Bauern begreiflich zu machen, dass jeder gefällte Baum dazu beitragen kann, dass seine Ernte eingeht“, sagt Aribo.