Männerversteherin mit festem Weltbild

FAMILIENMINISTERIN Kristina Köhler hebt die Frauen- und Jugendquote im Kabinett. Als Innenpolitikerin hat sie scharf geschossen. Ihren neuen Job geht die erklärte Nicht-Feministin eher aus der Männerperspektive an

Aus der Sicht von Kanzlerin Angela Merkel ist Kristina Köhler ein Glücksgriff. Die CDU hat nun endlich auch einen Jungstar im Kabinett aufzubieten, und dann auch noch einen weiblichen. Zugleich ist die Hessenquote auf eleganteste Art erfüllt worden, bedenkt man die nach Kulturkampf müffelnden Alternativen namens Volker Bouffier oder Christean Wagner.

Zudem kann man die 32-jährige promovierte Politologin nicht als Verlegenheits-Küken-Lösung à la Claudia Nolte bezeichnen, dazu hat sie zu viel politische Erfahrung und zu viel Ehrgeiz. Seit 2002 sitzt Köhler im Bundestag, 2009 jagte sie der SPD-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul deren Erbhof, den Wiesbadener Wahlkreis, ab.

Eher schon könnte einem die zierliche Blonde etwas unheimlich werden: eine junge Frau, die freudig mitteilt, schon mit 14 für Helmut Kohl geschwärmt zu haben. Die in die Union eintrat, sobald sie das Mindestalter dafür erreicht hatte. Die während des Studiums in einem Unions-Abgeordneten-Büro arbeitete und die nie die obligaten Perlenohrringe vergisst. Einer solchen Frau kann man getrost ein gefestigtes politisches Weltbild unterstellen. Allerdings legt die Biografie auch die Befürchtung nahe, dass diese Weltsicht exakt am Unions-Tellerrand endet. Kristina Köhler wirkt in ihren Auftritten und Diskussionen ein bisschen so, als hätte sie ihren Nesthäkchen-Bonus aus Kindertagen (der Bruder ist 12 Jahre älter) nie abgelegt: von keinerlei Zweifeln angekränkelt. Mit den Eltern hält sie übrigens täglich Kontakt, wie sie der Bild verriet. Die Junge Union suchte sie zu beeindrucken, indem sie das Kabinett Kohl auswendig aufsagte, erzählt ein Parteifreund. Im Kampfverbands-Milieu der hessischen Union hat sie schließlich Haltung und Rhetorik geschärft. „Sie ist als Nachfolgerin für den Rechtsaußen Martin Hohmann in den Innenausschuss gekommen, und sie hat sich dort bisher nicht liberaler Positionen verdächtig gemacht“, so ihr Grünen-Gegenspieler im Ausschuss, Josef Winkler, zur taz.

Köhlers rhetorische Fähigkeiten haben schon einige zu spüren bekommen. Im BND-Untersuchungsausschuss nahm sie den damaligen SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier unter Beschuss, bis der die Contenance verlor und zu brüllen begann. Köhler blieb unbeeindruckt. Genauso unbeirrt allerdings zieht die Unions-Expertin für „Islam, Integration und Extremismus“ auch zweifelhafte Argumentationen durch. So unterstützte sie Roland Kochs Ausländer-Kriminalitäts-Wahlkampf 2008 mit der These, dass die „deutschenfeindliche Gewalt von Ausländern“ ein wachsendes Problem sei. Sie berief sich auf den Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer. Der aber wusste von keinerlei alarmierenden Zahlen, sprach vielmehr von einem „Missbrauch unserer empirischen Befunde“.

Ihr Themenfeld hat Köhler durchaus zur Profilierung genutzt. So buddelte sie 2004 das in Hessen gedruckte türkische Hetzblatt „Vakit“ aus und verlas dessen Holocaust-Leugnungen live im Bundestag. „Vakit“ wurde verboten. Sowohl Ressentiments bedienen als auch ernsthafte Kritik an die richtige Adresse abfeuern, Köhler kann beides. Gern betont sie die Bringschuld der MigrantInnen bei der Integration. Wenn sie dabei die Macho-Kultur muslimischer Männer angreift, ist ihr breiter Beifall gewiss.

Als Familienministerin wird Köhler nun auch die Programme für Demokratie und Toleranz verwalten. Monika Lazar, die für die Grünen im Beirat des Bündnisses sitzt, erwartet weitere „nette Diskussionen“ mit Köhler. Diese möchte vor allem Gewalttaten der Linken bekämpft wissen. „Wo ich die in Sachsen suchen soll, konnte mir Frau Köhler noch nicht erklären“, so Monika Lazar.

Wichtiger für Merkel wird sein, dass Köhler die modernisierte Familienpolitik der Union glaubwürdig repräsentiert. Die 32-Jährige wünscht sich selbst zwei Kinder. Zur Frauenpolitik äußerte sie sich bisher überhaupt nicht: Selbst ist die Frau, meint man schon in ihrem Eintrag in der Abi-Zeitung ihrer Schule von 1997 zu lesen: Sie wolle die erste sein, die Ehe, Kinder und Karriere problemlos unter einen Hut bringe, „ohne jemals zur Feministin zu werden“.

Nach der „konservativen Feministin“ von der Leyen kommt nun also jemand mit einer kleinen Feminismus-Phobie. Dazu passt ihre Beschwerde, dass man ungestraft Witze über heterosexuelle Männer machen dürfe, während andere Gruppen gleich empfindlich reagierten. Der einzige geschlechterpolitische Punkt ihrer ersten Interviews lautet übrigens, dass sie gerne mehr für Jungen tun will.

HEIDE OESTREICH