Ein Angriff auf zwei Minister

KUNDUS-AUSSCHUSS Zwei Männer hat Verteidigungsminister zu Guttenberg wegen des Angriffs von Kundus gefeuert: Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und den Exstaatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Wichert. Morgen dürften sie ihn schwer belasten

AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN

Als sich Angela Merkel am 8. September 2009, vier Tage nach dem fatalen Luftangriff von Kundus, erstmals dazu äußerte, wählte sie eine vieldeutige Formulierung: „Wie in einem Brennglas“, sagte die Kanzlerin, würden im Bombardement und dessen Folgen die Fragen sichtbar, die es zum Afghanistaneinsatz zu beantworten gelte.

Wie recht sie behalten würde, wusste Merkel damals vermutlich nicht. Der Luftangriff mit bis zu 142 – darunter vielen zivilen – Toten wurde zum Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dort sollen morgen zwei zentrale Figuren im Kundus-Komplex Fragen beantworten: der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, und der ehemals mächtige Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Wichert.

Beide dürften Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) schwer belasten. Und vielleicht wird die Öffentlichkeit dann besser verstehen, wieso sich die militärische und politische Führung angesichts der offensichtlichen Katastrophe in Kundus wochenlang in einer Art Leugnungsstarre befand.

Guttenberg hatte Schneiderhan und Wichert Ende November 2009 gefeuert. Er warf ihnen vor, ihm wichtige Unterlagen, vor allem einen Bericht der deutschen Feldjäger, „vorenthalten“ zu haben. Erst nach Kenntnis dieses Berichts aber habe er sein Urteil vom 6. November, das Bombardement sei „militärisch angemessen“ gewesen, revidieren können. Am 3. Dezember sagte Guttenberg, es sei „militärisch nicht angemessen“ gewesen.

Nun hatte der frisch ins Amt gekommene Minister aber schon am 6. November behauptet, den maßgeblichen Nato-Bericht zum Luftangriff gelesen zu haben. Aus dem geht schon auf den ersten Seiten hervor, wie wenig angemessen der Angriff war. Der Feldjägerbericht erregte zwar in Deutschland großes Aufsehen, für die Nato und die sachliche Bewertung des Luftangriffs hat er kaum eine Rolle gespielt.

Guttenbergs Widersprüche

Wichert und Schneiderhan haben jedoch erklärt, sie hätten nichts vorsätzlich vorenthalten. Guttenberg begriff, dass er zu weit gegangen war. Vergangene Woche sagte er, er habe niemals einen Vorsatz unterstellt. Nicht nur Oppositionspolitiker finden inzwischen, dass Guttenberg sich sehr tief in Widersprüche verfangen hat. Guttenberg bekommt auffällig wenig Unterstützung aus Regierungs- und Unionskreisen.

Doch nur weil Guttenberg über seine eigene Schneidigkeit zu stolpern droht, sind Schneiderhan und Wichert nicht sauber. Am Montagabend wurden die Generäle Jörg Vollmer und Rainer Glatz, der eine im September deutscher Befehlshaber in Nordafghanistan, der andere Kommandant des Potsdamer Einsatzführungskommandos, im Untersuchungsausschuss vernommen – und haben ihre Vorgesetzten offenbar zusätzlich belastet. „Die zwei müssen jetzt noch mehr Fragen beantworten“, sagt der Grünen-Obmann im Ausschuss, Omid Nouripour.

Nach Informationen der taz stritt Glatz unter anderem ab, dass er den Feldjägerbericht als geheim eingestuft und versucht habe, ihn im Einsatzführungskommando in Potsdam fest- und vom Berliner Ministerium fernzuhalten. Glatz soll auf Schneiderhan verwiesen haben.

Wichert wiederum soll später versucht haben, den Bericht im Ministerium festzuhalten und ihn nicht ins Kanzleramt gelangen zu lassen. Des Staatssekretärs Art, an seinem damaligen Minister Franz Josef Jung (CDU) vorbeizuhandeln, führte so schließlich auch zu dessen Rücktritt: Die Machtfülle des einen war die Unfähigkeit des anderen.

Was wiederum nicht heißen soll, dass Jung einfach gar nichts wusste. Denn Jung und Schneiderhan empfingen Mitte Oktober den Nato-Oberbefehlshaber für Europa, den US-Admiral James Stavridis. „Es gibt Indizien, dass Stavridis bei dieser Gelegenheit gebeten wurde, den Nato-Bericht zu Kundus im Ton neutral zu halten“, sagt Nouripour. Ein geglätteter Bericht, so war wohl die Hoffnung, werde ein günstigeres Licht auf die Bundeswehr werfen als die harschen Stellungnahmen des US-Kommandeurs Stanley McChrystal.

Sollte sich dies bestätigen, so hätte Jung dazu beigetragen, dass nun Guttenberg so sehr in der Klemme steckt. Ein Bericht im vorwurfsvolleren Ton hätte das bizarre Urteil „militärisch angemessen“ vielleicht gar nicht erst entstehen lassen.