Schwule flüchten ins WM-Land: "Nicht auf Rosen gebettet"

Südafrika gilt als liberaler Vorreiter der sexuellen Toleranz. Verfolgte Homosexuelle flüchten in das Gastgeberland der Fußball-WM. Aber auch dort wird das Klima rauer.

Mitglieder der Good Hope Metropolitan Community Church bei der jährlichen Gay Pride Parade in Cape Town, 2005. Bild: ap

JOHANNESBURG taz | "Als schwuler Mann in Südafrika lebe ich lieber, wie es die Gesellschaft vorschreibt und nicht nach der Verfassung." Brendan Petersens gepflegte Rasta-Zöpfe wippen auf seinem gestärkten Hemdkragen, als er den Kopf schüttelt und fortfährt: "Du wirst nie jemanden in der Geschäftswelt finden, der sich geoutet hat. Wer sich zum Schwulsein bekannt hat, wird belächelt und als Clown verachtet."

Für den 39-jährigen schwarzen Finanzdirektor des Nahverkehrsamtes von Johannesburg gibt es eine klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben. Denn obwohl Südafrika in seiner modernen Nach-Apartheid-Verfassung Schwule und Lesben anerkennt, ihre Diskriminierung verbietet und damit zum Vorreiter in Afrika geworden ist, steht der Alltag nicht im Einklang mit dem geschriebenen Wort. "Südafrika hat eine sehr liberale Verfassung", stimmt Brendan Petersen zu. "Aber das ist auch alles." Er hat nur seine Familie und die engsten Freunde in "sein Geheimnis" eingeweiht. Outing am Arbeitsplatz? "Ich würde bei Beförderungen übersehen werden und dem Büroklatsch zum Opfer fallen", sagt Petersen.

Während "same sex marriage" soeben in Malawi mit 14 Jahren Zwangsarbeit bestraft wurde und auch im Rest Afrikas verpönt ist, ist sie in Südafrika seit 2006 sogar legal. Sie ist sogar ein Trend in Südafrika geworden, meint Fikile Vilakazi, Direktorin des Sekretariats der Koalition für Afrikanische Lesben (CAL), der einzigen Organisation dieser Art in Afrika und seit 2003 in Johannesburg ansässig. "Aber das sind nur einige Individuen." Wie zum Beispiel der weiße Richter Edwin Cameron, der sich schon vor mehr als zehn Jahren öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt. Dazu hatte er noch erklärt, er habe sich mit dem Aidsvirus angesteckt - die einzige Figur in Südafrikas öffentlichem Leben, die sich bisher in dieser Weise aussprach und zur Leitfigur wurde. Er sitzt immer noch im Amt: als Verfassungssrichter.

"Die südafrikanische Führung ist extrem konservativ", findet Vilakazi trotzdem. "Wir bewegen uns rückwärts, denn Politiker sind nicht überzeugt von dem, was die Verfassung für Schwule und Lesben garantiert." Die Verfassung sei in einem besonderen Moment der Wende gekommen, aber die Euphorie sei verflogen, der Ton habe sich geändert, sagt Vilakazi.

Allerdings nicht so wie in anderen afrikanischen Ländern, in denen Schwule mit Schweinen verglichen werden, auf Homosexualität als "unnatürlicher" oder "unafrikanischer" Angriff gegen "die Natur" die Todesstrafe steht und Hassreden selbst von Präsidenten geschürt werden. Auch Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat noch 2006, als ANC-Vizepräsident, gleichgeschlechtliche Ehen als Schande im Angesicht Gottes bezeichnet und betont, in jungen Jahren hätte er keinen homosexuellen Mann ihm gegenüber geduldet: "Ich hätte ihn verprügelt." Er entschuldigte sich später für die Äußerungen.

In Nigeria und auch anderen Ländern, in denen die islamische Scharia-Gesetzgebung angewandt wird, sind Frauen und Männer wegen Homosexualität zu Tode gesteinigt worden. Die Polizei in Uganda etwa verhaftet Menschen, die im Verdacht stehen, schwul oder lesbisch zu sein. Ein Gesetzentwurf, der auf Homosexualität die Todesstrafe vorsah und Nichtdenunziation schwuler Praktiken mit Gefängnis belegen wollte, ist aufgrund öffentlicher Proteste zunächst auf Eis gelegt worden. Aber die Debatte darüber geht weiter.

Eunice Namugwe floh vor fünf Jahren aus Uganda. Sie lebt seither in Johannesburg und arbeitet jetzt beim Lesbennetzwerk CAL. In ihrer Heimat, erzählt sie, hatte sie Angst, entdeckt und verraten zu werden. "Die Nachbarn waren auf Jagd gegen Lesben oder Schwule, die als kriminell eingestuft werden, und Vermieter haben das Recht, uns zu vertreiben." Alles ließ sie hinter sich, in der Hoffnung, in Südafrika nicht verfolgt zu werden.

"Ich habe zwar mehr Frieden und Freiheit hier, aber das Stigma ist vorhanden und ich muss in der Öffentlichkeit aufpassen", sagt die Uganderin. So hält sie sich eben dabei zurück, ihre Freundin auf der Straße zu küssen. "Auch Südafrika ist kein Rosenbett."

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