Terror ohne den Terrorführer

FILIALEN Ob in Nordafrika, im Irak oder im Jemen – längst haben sich die Al-Qaida-Filialen von der Zentrale in afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet gelöst. Ein Überblick über die wichtigsten Ableger

US-Behörden halten die jemenitische al-Qaida für die derzeit schlagkräftigste Filiale des Terrornetzwerks

WASHINGTON/BERLIN reuters/dpa/taz | Gegründet wurde al-Qaida („die Basis“) Ende der achtziger Jahre im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Die Mitglieder widmeten sich damals vor allem dem Kampf gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan. Osama bin Laden, der aus einer reichen saudi-arabischen Familie stammende Chef der Organisation, unterhielt schon damals Trainingslager für „Gotteskrieger“.

Die unwegsame Bergregion im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet gilt als Rückzugsgebiet für zahlreiche hochrangige Al-Qaida-Führer. In Afghanistan, wo sie jahrelang vom Taliban-Regime geschützt wurden, sollen mehr als 5.000 Terroristen in Lagern ausgebildet worden sein. Die US-Regierung schätzt die Zahl der Kämpfer in der Region auf mehrere tausend.

Für den globalen Dschihad gilt die Führung um Osama bin Laden und Aiman al-Sawahiri allerdings schon lange nicht mehr als der gefährlichste Kern der Islamisten. Viele Al-Qaida-Filialen planen und verüben ihre Anschläge autonom. Für sie hat bin Laden nicht mehr als eine symbolische Bedeutung.

Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Al-Qaida-Gruppen außerhalb des Führungskerns:

Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel: Diese Gruppe entstand im Jahr 2009 aus dem Zusammenschluss der Al-Qaida-Zweige in Saudi-Arabien und im Jemen. Zuvor hatte ein dreijähriger Antiterrorkampf der saudi-arabischen Regierung die Aktivitäten der militanten Muslime im Geburtsland des Islam fast völlig zum Erliegen gebracht. Die Zentrale der Gruppe ist nun das Nachbarland Jemen. US-Behörden halten die Al-Qaida-Gruppe im Jemen um den Anführer Nasser al-Wahishi, einen langjährigen Verbündeten von bin Laden, für die derzeit schlagkräftigste Al-Qaida-Filiale überhaupt.

Al-Qaida im Maghreb: Diese Gruppe ging aus Salafisten in Algerien hervor, die dort einen jahrelangen Kampf gegen Sicherheitskräfte führten. Ende 2006 verschworen sie sich einer breiter gefassten Dschihad-Ideologie und schlossen sich al-Qaida an. Sie verübten 2007 eine Reihe von Anschlägen auf Einrichtungen der Regierung, der Sicherheitskräfte sowie das Büro der Vereinten Nationen in Algier. Seit die Sicherheitskräfte 2008 einige Zellen zerschlugen, wurde es um die Gruppe ruhiger. Experten schätzen die Zahl ihrer Kämpfer auf mehrere hundert. Sie sind vor allem in den Wüstenregionen im Nordosten Mauretaniens, im Norden Malis und im Niger aktiv. Zuletzt traten sie vor allem mit der Entführung westlicher Ausländer in Erscheinung, für die sie Lösegeld forderten.

Al-Qaida im Irak: Der Ableger wurde im Oktober 2004 von dem Jordanier Abu Mussab al-Sarkawi gegründet. Nach dessen Tod 2006 soll der Ägypter Abu Ajjad al-Masri, der auch unter dem Namen Abu Hamsa al-Muhadschir bekannt ist, die Führung übernommen haben. Im Oktober riefen von al-Qaida geführte Untergrundgruppen und Stammesführer einen islamischen Staat im Irak aus und ernannten ein „Kabinett“ mit al-Masri als Kriegsminister und Abu Omar al-Baghdadi an der Spitze. Am 18. April wurden al-Masri und al-Baghdadi von irakischen und US-Soldaten getötet. Seitdem ist Abu Baker al-Baghdadi al-Husseini al-Kuraschi der starke Mann. Die Gruppe verübt zwar zunehmend weniger, aber umso schwerere Anschläge. Im Oktober nahm sie rund 100 Christen in einer katholischen Kirche in Bagdad als Geiseln. Bei der Befreiungsaktion wurden 52 Geiseln und Polizisten getötet.