„Ich habe Mama angerufen“

AUGENZEUGEN Die dramatischen Worte der Überlebenden

BERLIN taz | „Die Schüsse kamen mit etwa zehn Sekunden Zwischenraum und über etwa eine Dreiviertelstunde“, sagt die 22-jährige Nicoline Berge Schie, die sich mit Freunden auf der Insel Utøya hinter Felsen am Wasser versteckte. „Ich habe ihn nicht gesehen, aber gehört. Er schrie und jubelte und gab mehrere Siegesrufe von sich“, berichtet die 22-Jährige.

Es sind dramatische Szenen, die die Überlebenden des Attentats auf der Insel Utøya schildern. Der 18-jährige Magnus Stenseth von der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF stand dem angeblichen Polizisten direkt gegenüber: „Er kam den Hügel hoch und war nur 20 Meter von mir entfernt. Ich sah ihm genau in die Augen, er lud die Waffe, richtete sie auf mich und einige andere und schoss. Er lief über die Insel, als sei er allmächtig. Und das war er auch, weil wir wehrlos waren.“

Im TV-Sender NRK berichtet der Jugendliche Ali al Hatem, dass er beobachtete, wie eine Gruppe Jugendlicher auf den Mann zulief. „Er hat direkt auf alle geschossen, die auf ihn zuliefen.“ Er selbst sei in eine andere Richtung gelaufen und habe sich versteckt.

Der Jugendliche Prableen Kaur aus Oslo erzählt: „Ich habe Mama angerufen und gesagt, dass wir uns vielleicht nie wieder sehen und dass ich sie liebe. Sie weinte, das tat weh. Andere sprangen ins Wasser. Ich blieb liegen, das Handy in der Hand. Ich lag auf einer Leiche, zwei andere Tote auf meinen Beinen.“

Der 21-jährige Adrian Pracon, der das Camp mit organisierte, sagt: „Wir dachten, es wäre gut, die Polizei auf der Insel zu haben. Bis der Polizist plötzlich anfing, auf Leute zu schießen. Er stand da und zielte mit dem Gewehr auf meinen Kopf. Ich flehte, dass er nicht abdrückt. Und er tat es nicht. Er war sehr ruhig, er war entspannt und kontrolliert. Es schien, als kümmere es ihn gar nicht richtig.“

Und Peter Linge Hessen berichtet: „Ich hörte Leute zum Wasser rennen, habe sie aber nicht schwimmen sehen. Ich habe versucht zu schwimmen – auf dem Rücken, damit ich sehen konnte, was auf der Insel passiert. 10 bis 20 Körper lagen da. Sie bewegten sich nicht. Ich weiß nicht, ob sie sich versteckten oder tot waren.“ (dpa/afp/rtr)