Massenmord als PR-Aktion eines Kreuzritters

DAS MANIFEST Auf 1560 Seiten erklärt der Attentäter seine Motive: gegen Multikulturalismus

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Anders Behring Breivik zeigt sich alles andere als reuig: Er hat den Bombenanschlag und das Massaker gestanden, er bedauert nichts und will heute bei seinem Hafttermin in Oslo öffentlich begründen, warum er diese „grausamen, aber notwendigen“ Taten begangen hat.

Breivik hatte bereits kurz vor seinem Attentat ein „Manifest“ verschickt, in dem er seine Taten rechtfertigt und seine Beweggründe zu erklären versucht. In dem 1.500 Seiten langen englischsprachigen Text mit dem Titel „2083. A European Declaration of Independence“ sieht er sich selbst als Kreuzritter. Auf YouTube war auch ein von ihm produziertes 12-minütiges Video, „Knights Templar 2083“, aufgetaucht, in dem er mit Waffen posiert und eine von dramatischer Musik unterlegte Zusammenfassung seines Manifests gibt. Als Christ und Nationalist charakterisiert sich Anders Bering Breivik selbst auf seiner Facebook-Seite. Als „christlichen Fundamentalisten“ bezeichnete ihn am Samstag ein norwegischer Polizeisprecher. Die Periode von 1968 bis heute nennt Breivik die einer „kulturellen marxistischen Vergewaltigung“ und die der letzten zehn Jahre als „islamische Kolonialisierung“ Europas.

„Die Zeit für den Dialog ist vorbei. Wir haben dem Frieden eine Chance gegeben.“ Nun würden die „Tempelritter stellvertretend für die freien Menschen in Europa den kulturmarxistischen/multikulturalistischen Regimen in Westeuropa den vorbeugenden Krieg erklären“. Faktisch herrsche seit 1999 in Europa Bürgerkrieg: „Mit dem Angriff der NATO auf christlich-serbische Truppen, die ihnen das Recht nahmen, den Islam in ihrem Vaterland zu stoppen“.

Breivik gibt an, den Anschlag bereits seit 9 Jahren geplant zu haben. Damals war er Mitglied der rechtspopulistischen „Fortschrittspartei“, wo er sich bemüht habe, „als gemäßigter rechtsorientierter Mann, nicht als Widerstandskämpfer“ zu wirken.

Teilweise als Tagebuch formuliert, teilweise in Form eines Interviews mit sich selbst, berichtet er von Kindheit und Jugend, dem Aufwachsen mit vier Halbgeschwistern. Er erzählt, wie er seine wahren Gedanken und Pläne vor Freunden und Bekannten verheimlichen musste, um diese nicht zu gefährden und die Polizei nicht auf sich aufmerksam zu machen.

Im Detail schildert er Attentatsvorbereitungen, gibt Anleitungen zum Bau von Bomben und Schutzanzügen. Er habe sich mit der Einnahme großer Mengen anaboler Steroide auf seine Taten vorbereitet. Diese seien weniger gegen die norwegische Regierung bzw. das Lager der Jungsozialisten gerichtet, sondern sollten dazu dienen, internationale Aufmerksamkeit für sein Manifest zu gewinnen. Das Ganze sollte also eine Art PR-Aktion werden. Breiviks Manifest könnte allerdings ein Fall für VroniPlag werden: Große Teile des Manifests scheint er wortwörtlich von der Erklärung des „Unabombers“ Theodore Kaczynski abgeschrieben zu haben und lediglich „leftists“ durch „multiculturalism“ und blacks“ durch „muslims“ ersetzt zu haben. Kaczynski hatte zwischen 1976 und 1995 mit 16 selbst gebauten Bomben drei Menschen in den USA getötet.

Breivik rechnete nicht damit, zu überleben, und fürchtete, die Medien würden ihn nicht verstehen und als Terroristen bezeichnen. Doch viele würden später verstehen, dass er recht habe.

Eine Stunde vor dem Bombenanschlag in der Osloer Innenstadt hatte Breivik dieses Manifest offenbar per E-Mail an eine Reihe von Adressaten in der rechtsextremen Szene Europas verschickt. Darunter an einen führenden Politiker der finnischen Partei „Wahre Finnen“. Er lobt auch deren Parlamentsabgeordneten Jussi Halla-aho und den holländischen Politiker Geert Wilders, weil diese konsequent gegen die multikulturelle Gesellschaft protestierten.