Schwarz-Gelb ist abgewählt

ERGEBNISSE Die SPD will den Ministerpräsidenten stellen. Doch das wird knapp. Für Rot-Grün reicht es nicht. Die Piraten sind zu stark. Die Liberalen auch. Derweil fliegt die Linkspartei erstmals wieder aus einem Landtag

VON HANNA GERSMANN

Sympathisch, nett – so wollte SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig siegen. Er ließ auf jedes Plakat ein Herz und den Slogan „Mein Lieblingsland“ drucken. In den Umfragen lag er vorn, er hatte gute Chancen, Ministerpräsident zu werden. Doch aus Albigs Wunschkoalition Rot-Grün wird nichts, ob er den Posten des Ministerpräsidenten in einer großen Koalition einnehmen kann, war zunächst unklar.

Der Nochbürgermeister von Kiel und seine Partei landen nach ersten Hochrechnungen bei rund 30 Prozent, CDU-Kontrahent Jost de Jager bei knapp 31. Die Grünen liegen bei gut 13 Prozent. Erstarkt sind derweil die Piraten: gute 8 Prozent. Und auch die FDP schafft den Sprung in den Landtag mit etwa 8 Prozent. Derweil fliegt die Linkspartei erstmals aus einem Landesparlament wieder raus – gut 2 Prozent. Die vermeintlich kleine Wahl in Kiel am Sonntag manifestiert große Änderungen in der Parteienlandschaft.

Schwarz-Gelb, die bisherige schleswig-holsteinische Landesregierung unter Peter Harry Carstensen, ist abgewählt – nur zweieinhalb Jahre nach der letzten Abstimmung. Das Landesverfassungsgericht hatte die Neuwahl im Norden angeordnet, es hielt die Sitzverteilung im Landtag für nicht rechtmäßig.

Noch im März hatte es nach gut 50 Prozent für Rot-Grün ausgesehen. Die CDU kämpfte mit sich. Der 65-jährige Carstensen hatte früh angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen. Sein Nachfolger Christian von Boetticher („Es war schlichtweg Liebe“), ging, als sein Verhältnis zu einer 16-Jährigen bekannt wurde. Jost de Jager kam, 47, Sohn einer Pfarrersfamilie, Landeswirtschaftsminister, wenig bekannt. Die FDP dümpelte derweil bei 2 Prozent, mit den Piraten rechnete kaum jemand. Doch dann traten die Piraten dem Vorwurf entgegen, eine Einthemenpartei zu sein, gaben sich das Motto „Jetzt mit mehr Inhalt“. Die Partei bekam Zulauf – und machte den Grünen Stimmen streitig.

„Man boxt gegen Pudding, wenn man sich mit den Piraten auseinandersetzt“, sagte der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck im Wahlkampf. Er wählte den Slogan „Für hier mit Dir“, hat über „Heimat“ geredet, ohne Scheu vorm Sparen. Fast 30 Milliarden Euro Schulden plagen das Land. Habeck stand immer im Verdacht, nicht nur mit Rot-Grün, sondern auch mit Schwarz-Grün zu liebäugeln.

Jost de Jager wäre mit Habeck sicher zurechtgekommen. Er hielt sich am Wahlabend alle Optionen offen: „Wir wollen mit allen Parteien über eine Koalition sprechen“, ließ er wissen. Der CDUler hat in den letzten Wochen vor allem versucht, sich inhaltlich zu profilieren – über das Thema Schuldenabbau. Er hat die Erhöhung der Pendlerpauschale abgelehnt, das Betreuungsgeld auch. Offenbar hat das gewirkt und er hat sich – Slogan „Klare Kante Zukunft“ – einen Namen gemacht.

Die Wählerstimmung hat sich im Laufe der letzten Wochen auch zugunsten der FDP gewandelt. Mit einer Kampagne „Wählen Sie doch, was Sie wollen“ hat Krawallmacher und Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki offenbar die liberale Klientel für sich gewonnen. Er verschafft der mickernden FDP erst einmal eine Atempause. Ob Bundesparteichef Philipp Rösler der richtige Mann ist, bleibt allerdings offen. Theoretisch könnte im Norden auch eine Jamaika-Koalition möglich werden, bei den Grünen wäre sie aber nur schwer durchzusetzen.

In den letzten Tagen, als die meisten schon nicht mehr an einen klaren Sieg von Rot-Grün glaubten, sprach sich Torsten Albig im TV-Duell für eine Konstruktion aus, die es nur in Schleswig-Holstein geben kann: die Dänenampel, ein Dreier-Bündnis aus Rot, Grün und Südschleswigschem Wählerverband. Der SSW, die Partei der aus 50.000 Menschen bestehenden dänischen Minderheit, kam auf 4,5 Prozent und ist von der 5-Prozent-Hürde befreit. Doch das Bündnis hätte kaum mehr als eine Stimme Vorsprung. Albig will es offenbar trotzdem versuchen: „Wir können auch Einstimmenmehrheiten“, sagte er am Abend.

Albig hat eine große Koalition mit der CDU nicht prinzipiell ausgeschlossen. Ob er daran festhält, wenn de Jager ihm das Amt des Chefs streitig macht, ist offen. „Mir graut vor gar keiner demokratischen Lösung“, so Albig. Es könnte ein Leitsatz für alle Politiker werden. Am Sonntag wählt Nordrhein-Westfalen.