Gegen Medien, Milliardäre und die FED

KUNDGEBUNG 1.500 Teilnehmer lauschten bei der „Montagsdemo“ auf dem Potsdamer Platz in Berlin andächtig dem Spitzen- personal einer neuen Bewegung mit wirren Positionen und ohne klare Ziele

Die „Friedensbewegung 2014“ bekommt Zulauf aus dem gesamten Spektrum der Verschwörungstheoretiker:

■ Reichsbürger: behaupten, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort und die Bundesrepublik existiere rechtlich nicht. Eng verknüpft damit die Ansicht, die BRD sei nicht souverän, sondern werde von den USA verwaltet. Beliebtes Schlagwort: BRD GmbH.

■ Chemtrails: sehen in den Kondensstreifen am Himmel einen chemischen Angriff zur Bevölkerungsreduktion oder zu militärischen Zwecken.

■ Truther: bestreiten die geschichts- und naturwissenschaftlichen Erklärungen der Terroranschläge am 11. September 2001 und bieten vielfältige Alternativerklärungen an.

■ Alexander Popp: beschäftigt sich mit Pseudomedizin und hat Kontakt zur Antizensur-Konferenz (AZK) des Sektengründers Ivo Sasek. (epe)

VON ERIK PETER

BERLIN taz | Mit Frieden hatte die Kundgebung der „Friedensbewegung 2014“ nichts zu tun. Zwar wurden an die gut 1.500 Teilnehmer, die sich am Montagabend auf dem Potsdamer Platz in Berlin eingefunden hatten, Aufkleber mit der Friedenstaube verteilt. Doch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik entfiel weitestgehend.

Dafür waren die Redner, die aus einem improvisierten Partyzelt durch ein krächzendes Mikrofon zur Menge sprachen, zu sehr mit sich selbst beschäftigt, arbeiteten sich zu sehr an angeblichen „Lügen und Unterstellungen“ der Mainstream-Medien ab.

Montagsdemo-Initiator Lars Mährholz hatte für die ambitionierte Aufgabe, die rechten Tendenzen seiner Bewegung zu negieren, deren Spitzenpersonal geladen. Neben ihm traten der Exlinke Journalist Jürgen Elsässer und Verschwörungstheoretiker Andreas Popp auf, im Publikum befand sich der ehemalige RBB-Moderator Ken Jebsen.

Mährholz selbst gab die zentralen Botschaften des Abends vor. Die eine: Dass seine Bewegung dem rechten Spektrum entspringe und in diesen Gewässern fische, sei „Bullshit“. Die andere: dass sie bald etwas verändern werde, mit Millionen von Menschen, europaweit.

Ungeduld angesichts fehlender Inhalte und konkreter Forderungen war im Publikum nicht auszumachen. Stattdessen erfreuten sich die überwiegend männlichen Teilnehmer am selbst beschwörenden Mantra ihrer ebenfalls männlichen Vordenker: Man stehe hier zusammen, weil man durchschaut habe, was schieflaufe.

Die Schlagwörter dieses Mantras lauten: dritter Weltkrieg, Ukraine, Propaganda-Medien, Milliardäre, FED. Übersetzt: Die US-Notenbank wird von den reichsten Menschen der Welt dazu benutzt, Kriege zu führen – und die nicht souveräne Bundesrepublik und ihre Medien unterstützen sie dabei. So vielfältig sich das Publikum zusammensetzte: Auf diese Behauptung dürften sich die meisten der Anwesenden einigen können.

Darüber hinaus versuchten viele Teilnehmer, andere Anwesende von ihren jeweiligen kruden Ideen zu überzeugen. So schritt durch die Reihen eine junge Frau mit einem Flugblatt, in dem die Deutschen als „staatenlos“ bezeichnet wurden, weil das NS-Staatsangehörigkeitsrecht angeblich erst 2010 außer Kraft gesetzt, aber nicht durch ein neues Gesetzt ersetzt wurde. Andere forderten auf ihren Schildern und Transparenten „USA go home“ oder „Wahrheit statt alliierter Geschichtsschreibung“. Als Rechte oder gar Faschisten versteht sich die überwiegende Mehrheit der Montagsdemonstranten aber nicht – ihr Selbstverständnis ist ein anderes.

Viel Zustimmung erhielt etwa der selbst ernannte Exlinke Elsässer, der den Großteil seiner Redezeit darauf verwendete, den Gegensatz zwischen links und rechts als überholt darzustellen. Beides seien „alte Kategorien“, die heute keinen Wert mehr besäßen. Wie Elsässer am Ende darauf kam, sich und die Anwesenden als die „wahren Antifaschisten“ zu bezeichnen, blieb dabei sein Geheimnis.

Befremdung wird Elsässers Behauptung beim Berliner NPD-Vorsitzenden Sebastian Schmidtke ausgelöst haben. Der hatte sich zusammen mit seiner Freundin, der „Ring Nationaler Frauen“-Aktivistin Maria Frank und einer Handvoll weiterer Kader ins Publikum gemischt.

Doch die „Friedensaktivisten“ ziehen nicht nur Rechte an. Anwesend und von Andreas Popp als Sympathisantin hervorgehoben war auch Sonja Karas, Mitglied des Landesvorstandes der Grünen in Brandenburg. Dort hat ihr Auftritt bei den Verschwörungstheoretikern am Dienstag zu einiger Aufregung geführt.

Man versuche, die Sache aufzuklären, so Simon Zunk, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Landesgeschäftsstelle der Partei gegenüber der taz. Die Bewegung halte man für „gefährlich, geschichtsrevisionistisch und höchst fremdenfeindlich“. „Wir unterstützen das keinesfalls“, so Zunk.