Die Stimme aus dem Internet

AUSZEICHNUNG Edward Snowden bekommt den Stuttgarter Friedenspreis verliehen. Per Videoübertragung spricht er live während der Gala. Von wo, weiß niemand so genau

AUS STUTTGART LENA MÜSSIGMANN

„Edward Snowden is with us!“, Edward Snowden ist bei uns, ruft Fritz Mielert durch den Saal des Theaterhauses in Stuttgart. Ein Rollcontainer mit Laptop wird auf die Bühne geschoben, Snowden erscheint auf dem Bildschirm. Ein paar Wackler und die Leitung steht. Der wohl berühmteste Whistleblower der Welt setzt vor den Stuttgartern zu einem Plädoyer an – für den Geheimnisverrat im Auftrag der Freiheit und der Demokratie.

Am Sonntagabend hat der Verein „Die Anstifter“ seinen jährlichen Friedenspreis im Stuttgarter Theaterhaus an Snowden verliehen. Der Preis wird seit 2003 vergeben. In den vergangenen Jahren ausgezeichnet wurden unter anderem Fatuma Abdulkadir Adan, eine Anwältin aus Kenia, die für Frauenrechte kämpft, sowie die „Aktion Aufschrei – stoppt den Waffenhandel“, ein Aktionsbündnis gegen Waffenexporte. Mehr als 440 Besucher verfolgten die Veranstaltung. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert.

In diesem Jahr hatten „Die Anstifter“ 22 Vorschläge, wer die Auszeichnung bekommen soll, unter ihren Mitgliedern zur Abstimmung gestellt. Snowden erhielt die meisten Stimmen.

Als ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter hat er geheime Dokumente veröffentlicht, die auf weltweite Spionage- und Abhörumtriebe der US-Regierung und ihrer National Security Agency (NSA) hinweisen. Seither ist er auf der Flucht vor amerikanischer Strafverfolgung und lebt in Russland.

Snowdens Bild wird auf die Leinwand im Theaterhaus geworfen. Er sieht schmaler aus, als man ihn von Fotos kennt. Er sitzt vor einer schwarzen Wand. Wo, das weiß keiner so genau.

In seiner Rede erklärt er, warum er höchst geheime Dokumente öffentlich gemacht hat, und erzählt von Repression und Einschüchterungsversuchen (siehe rechts). Nach zehn Minuten verschwindet Snowden so schnell vom Bildschirm, wie er aufgetaucht ist. Die Hoffnung der „Anstifter“, Snowden interviewen zu können, erfüllt sich nicht. Der Liveschalte war nach einem langwierigen Mailwechsel über Snowdens Europa- und Deutschland-Anwalt Wolfgang Kaleck zustande gekommen.

Vor der Videoübertragung hatte taz-Chefredakteurin Ines Pohl in ihrer Laudatio Snowden ihre Bewunderung ausgesprochen. Pohl nannte aber auch Wikileaks-Gründer Julian Assange und Bradley Chelsea Manning, die als US-Soldat Kriegsverbrechen im Irak öffentlich machte, sowie Laura Poitras und Glenn Greenwald, die ihrer Verantwortung als Journalisten gerecht geworden seien. Sie hätten die Öffentlichkeit für die brisanten Informationen geschaffen.

Anschließend diskutierte Pohl noch mit Constanze Kurz vom Chaos Computer Club und mit Josef Foschepoth vom Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg. Foschepoth sagte, Snowdens Enthüllungen seien nur der Höhepunkt der über 60-jährigen Geschichte der Überwachung in der Bundesrepublik. Er warnte zudem nachdrücklich vor Plänen, Snowden nach Deutschland zu holen, in der Hoffnung, dass Deutschland ihm Asyl gewähre. „Das würde schieflaufen. Wenn er hier ankommt, wird er von deutschen Behörden begrüßt und an US-Amerikaner weitergegeben. Das ist die Rechtslage.“