BERLINER PLATTEN
: Während andere den aktuellen Popdiskursen hinterherhecheln müssen, haben Klotz & Dabeler einfach mal ’ne Platte gemacht

„Wish you were here“ von Pink Floyd, diesen auf zu vielen evangelischen Kirchentagen und Lagerfeuerabenden zerschlissenen Klassiker zu covern, das wäre für eine hippe junge aufstrebende Popband natürlich nicht drin. Doch Klotz & Dabeler scheren sich nicht groß um Hipness, und jung sind sie auch nur noch verhältnismäßig. Deswegen haben sie auf ihrer gemeinsamen Debütplatte „Menschen an sich“ einfach mal Pink Floyd gecovert, was zwar, wie Almut Klotz meint, „ein bisschen verboten“ bleibt, doch wenn sie und Reverend Christian Dabeler im Duett „ich wünschte, du wärst hier“ nonchalant seufzen und ein Casio dazu pluckert, sind alle Bedenken vergessen. Das funktioniert, das geht, das darf man so machen. Die beiden dürfen das.

Vielleicht muss man erst alles Mögliche ausprobiert haben, einen langen Weg gegangen sein, um dann irgendwann bei Pink Floyd landen zu können, ohne dass es peinlich ist. Almut Klotz war früher zusammen mit Christiane Rösinger bei den Lassie Singers, hatte zeitweilig eine Berliner Szenegrößenband mit dem Namen Maxi unter Menschen, hat auch den Hamburger Riot-grrl-Versuch Parole Trixi mitbegründet, um dann mit Christian Dabeler Projekte anzuschieben, der ebenfalls schon alles vom Mucker für Rocko Schamoni bis hin zu Musik fürs Theater durchhatte.

Gemeinsam schrieben sie mit „Aus dem Leben des Manuel Zorn“ eine Art Poproman, betrieben für kurze Zeit den Berliner Popchor, der genau das war: ein Chor, und irgendwann, wo man doch sowieso schon die ganze Zeit zusammen herumhing, diskutierte und mal gemeinsam was mit Musik probierte, war klar: Man könnte ja auch mal eine Platte aufnehmen.

Diese wirkt nun so völlig aus der Zeit gefallen und sucht keinerlei Anschlüsse an irgendwelche aktuellen Popdiskurse. Das Zufällige, Nichtgeplante hört man ihr an und schenkt ihr diesen Charme des Unfertigen. Die beiden Musiker haben keine Illusionen mehr von Karriere, Popstarruhm oder etwas dergleichen. „Menschen an sich“ kauft eh niemand, da machen sich Almut Klotz und Christian Dabeler nichts vor. Eine Myspace-Seite haben sie auch nur, weil ihr Labelboss sonst Tobsuchtsanfälle bekommen hätte. Weil hier nicht einer Zielgruppe zugearbeitet wird, wirkt „Menschen an sich“ auch so unerhört privat. Da wird von Gefühlen, Ängsten, Zweifeln gesungen, als würden die Aufnahmen später im eigenen Nachtschränkchen verschwinden. Das Ganze kulminiert dann in dem unumstrittenen Höhepunkt „Bitte bleiben“, einem atemlosen Paranoia-Stück, das auf gebrabbelten Lyrics des Reverend aufbaut, die der morgens um fünf nach ein „bisschen“ Wein – Almut Klotz korrigiert: „bisschen viel“ Gin – aufgenommen hat und im Wesentlichen um die Frage kreist, ob man nun weitergehen oder bleiben solle.

Almut Klotz und Christian Dabeler stellen also auf einer kleinen Popplatte erstaunlich große Fragen. Wohin? Im Leben und überhaupt? Eine mögliche Antwort auf alles ist bestimmt Song Nummer elf: „Lauf wenn du kannst“. ANDREAS HARTMANN

Klotz & Dabeler „Menschen an sich“ (Zick Zack/Indigo) Releasekonzert Dienstag im Nbi