Jukebox

Klassische Dramaturgie: Gutes muss man umdrehen

Es ist ein interessanter neuer Trend: die Neu-Aufführung großer Platten der Vergangenheit. Brian Wilson machte vor fünf Jahren mit „Pet Sounds“ den Anfang, dann kamen Lou Reed und „Metal Machine Music“, die Rest-Pink-Floyd mit „Dark Side of the Moon“ sowie Sonic Youth und „Daydream Nation“. Dass die britische Band The Wedding Present nun, 20 Jahre nach dem Erscheinen, ihr Debüt „George Best“ noch einmal zur Aufführung bringt, dürfte dafür sprechen, dass sich dieses Modell nun allgemein durchgesetzt hat – schließlich sind The Wedding Present zwar eine grundkorrekte Band, mehr aber auch nicht. Auf eine Neu-Aufführung von „George Best“ hat die Welt wirklich nicht gewartet.

Die Lage entspricht also ungefähr der Situation nach Einführung der CD, nur dass das Geld heute im Konzertgeschäft steckt: nach und nach wird alles wieder herausgebracht. Erst die Hits, dann die anderen, weniger bekannten Sachen. Wobei höchst fraglich ist, ob die Platten bei ihrem Ersterscheinen eine ähnliche Behandlung erfuhren und im Konzert so wie auf Platte gespielt wurden. Es war ja schließlich die Zeit, als das Album als Format noch nicht angekränkelt war, sich für die Aufführungspraxis also auch noch nicht die Frage stellte, ob man diese zusätzliche Bedeutungsspur mitlaufen lassen wollte.

Das ist nun alles anders. Nachdem das Albumformat mit knapper Not die Einführung der CD überlebt hat (deren Länge entspricht einer Doppel-LP, und das ohne Umdrehen, da stellen sich ganz andere Dramaturgiefragen – wirklich befriedigend gelöst wurden sie nur selten), die CD im Grunde vor allem Speichermedium geworden ist (Ausnahme: der DJ-Mix, ein Format, das auf der CD ganz wunderbar ästhetisch prosperiert, kein Wunder, auch ein Mix-Tape musste man umdrehen), ist der Einzelsong wieder das beherrschende Musikformat geworden.

Das Album war klassischerweise das Format, auf dem Künstler ihre Künstlerschaft beweisen konnten. In Anbetracht der Tatsache, dass das heute ohnehin wieder das Konzert ist, mag es ein lustiger Rückkopplungseffekt sein, dass Bands nun ausgerechnet mit ihren alten Alben auf Tour gehen. Es macht aber durchaus Sinn.

Die einzige ungeklärte Frage – und im Fall von „George Best“ stellt sie sich mit besonderer Dringlichkeit –: was macht man mit dem Cover? TOBIAS RAPP

The Wedding Present spielen „George Best“: Dienstag, 13. November, Lido