Jukebox

Ein Mann für Wandlungen: Mehr Leben mit Wecker

Den goldenen Sommer verbringe ich in einem geliehenen Haus im Paradies. Also in Freiburg. Komme gerade vom Biolädle zurück in diesen prächtig umgebauten ehemaligen Bauernhof, erkunde die CD-Sammlung der Hausbesitzer und greife schließlich nach dem „Liederbuch“. Konstantin Wecker. Düdüdü-dü – düdüdü – düdüü. Und da sitzt er auch schon an einem schwarzen Flügel, zwei Scheinwerfer leuchten den Schweiß in seinen Gesichtsfurchen aus. „Dass der Himmel heut so hochsteht …“ Worte flattern wie Schmetterlinge durch das Herz. Warum wird mir so leicht – und so schwer?

Tja. Es gibt kein logisches Argument, das gegen ein gefühltes ankäme. Das ist ein Kern der Kunst und die Kraft der populären Musik. Das ist das eine. Das zweite ist, dass man kaum einmal Argumente für ein besseres Leben stärker fühlt als in einem Konzert von Konstantin Wecker. Ist man glücklich wieder zu Hause, vollzieht sich die Rückverwandlung, wird das Pathetische als Sentimentalität negativ konnotiert, das Fühlende als gefühlig umdefiniert. Aber zunächst ist ein Wecker-Konzert ein Vorgang von Geistes- und Körperverwandlung – durch die Kraft und Energie, die er und seine Musik ins Publikum ausstrahlen. Es baut sich etwas Gemeinsames im Raum auf, das nicht gleichgültig ist. Seltsame Dinge werden fühlbar: Beispiel geben, Beispiel nehmen. Nicht so taub sein, nicht so blind, nicht so unempfindsam. Mehr tun. Mehr leben.

Man muss es aushalten können, klar. Viele können es nicht. Gründe gibt es genug. Die Emphase, die großen Worte, die mangelnde Selbstironie, die Stimme, die Biografie des 68ers, des politischen Künstlers, den Rudolf Scharping „meinen besten Freund“ nannte. Die Abkehr von der Schröder-SPD. Ein Mann von gestern? Ist jemand gestrig, der Andrea Ypsilantis Minderheitsregierung als Versuch begrüßt, ein Schrittchen nach vorn zu wagen? Wenn keiner weiß, wo vorn und hinten ist, könnte auch über Wecker das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

So oder so: „Genug ist nicht genug“ gehört zu den größten Songs der letzten fünfzig Jahre. Basta. PETER UNFRIED

Konstantin Wecker spielt am Montag im Berliner Friedrichstadtpalast