BERLINER PLATTEN
: Aus dem Hintergrund heraus: Jochen Arbeit hat sein Soloalbum vorgelegt, das jetzt Appetit auf sein Soloalbumdebüt als Rockmusiker macht

Jochen Arbeit ist nicht unbedingt der Mann, der sich in den Vordergrund drängelt. Was vielleicht an seiner musikalischen Beschäftigung liegt. Der Mann ist kein Sänger und muss schon deswegen nicht die Rampensau machen. Jochen Arbeit ist Gitarrist. Irgendwie sogar der Gitarrist der Berliner Szene, an dem sich präzise die Wandlungen und die Konsequenz eines nunmehr Vierteljahrhunderts Musikgeschichte festmachen lässt. Arbeit war Mitglied bei Die Haut, die in den Achtzigerjahren mit ihrem durchaus grimmigen Instrumentalrock die Berliner Gegenposition zur damaligen SST-Offensive mit Gitarrenbrettern aller Art (Sonic Youth, Minutemen und eine Menge mehr) formulierten. Seine Beteiligung bei eher aktuellen Bands und Projekten wie dem Countryspaß mit den Jever Mountain Boys, den Latin Lovers oder die Zuarbeit für den Crooner Martin Dean dokumentiert die Diversifikation in einem Musikerleben, und das Geld zum Brötchenholen verdient Jochen Arbeit seit einigen Jahren wohl als Gitarrist bei den Einstürzenden Neubauten, auf deren Label Potomak nun auch sein Album „Arbeit: Solo“ erschienen ist.

Dafür hat Jochen Arbeit einen über die Jahre gewachsenen Fundus an Auftrags- und Gelegenheitsarbeiten abgeschöpft, für Filme, Theater und Installationen. Eine Collagenmusik mit behutsam geschichtetem Minimalismus und ineinander geschachtelten Loops (und etwas Zuarbeit von Kollegen: Yoyo Röhm, Alexander Hacke oder Thomas Wydler) von einer verblüffend sanften Gestimmtheit. Wunderbar passt die in die Dämmerung, wenn den Dingen langsam die Farben abgedreht werden. Ruhig an- und abschwellende Klänge, die schön den Hintergrund füllen. Am besten funktionieren sie tatsächlich, wenn man seine Aufmerksamkeit gar nicht hundertprozentig auf die Musik richtet. In einem nur halb hingehorchten Bewusstseinsstand geben sie einem das gute und sehr angenehme Gefühl, dass sich dahinter noch eine Menge an Interessantem birgt, das man später mal genauer ausloten möchte. Eine Musik wie zwischen den Türen.

Fängt man aber mit dem Loten an und horcht ganz genau hin, besteht bei diesen Soundscapes schon auch die Gefahr, dass man ihnen zu schnell auf die Schliche kommt und dass das nebenbei so anregend Gehörte sich zwischendurch im Wabern verliert. Wenn aber andererseits der Musikanteil so weit aus den Kompositionen hinausgedrängt wird wie zum Beispiel bei „Beckett Backwards“, dass nurmehr geordnetes Geräusch übrig bleibt, wird es für die Experimentalhörer und Geräuschplattenliebhaber wieder richtig spannend.

Alles in allem also ein schön melancholisch gestimmtes Liebhaberalbum (zu dem auf einer zweiten CD noch Videos und einige Stücke im Surround-Sound-Mix geliefert werden). Jochen Arbeit selbst sieht das auch so: Auf der CD ist vermerkt, dass es sich hierbei gar nicht um ein „offizielles Album“ handele. Ein Gitarrenalbum ist es gleichfalls nicht geworden. Der Mann bleibt zurückhaltend im Hintergrund. So ein Soloalbum, das Jochen Arbeit als Rockmusiker spiegelt, steht noch aus. THOMAS MAUCH

Jochen Arbeit: „Arbeit Solo“ (Potomak/Indigo) Release-Party heute im Eschschloraque, 22 Uhr