Jukebox

Schwarze Gläser machen alles anders. Es ist Magie

Es sind die kleinen Dinge, die den Unterschied machen.

Ein Zauber muss es sein. Also war es einmal, dass der Kalif Chasid zu Bagdad bei einem Krämer ein Pülverchen erwarb, womit er sich in einen Storch verwandeln konnte. Dass es im weiteren Verlauf des Kalif-Storch-Märchens von Wilhelm Hauff dann noch zu allerlei Verwicklungen mit Prinzessin und dem sonstigen Märchenpersonal kommt, muss hier einmal nicht von Bedeutung sein. Festzuhalten ist nur das Zauberwort, das die Verwandlung in Gang setzt. Mutabor. Lateinisch: Ich werde verwandelt werden.

Natürlich kennt auch die Geheimlehre Popmusik ihre Mutabor-Pülverchen, so kleine Zeichen, dass man sie glatt mit modischen Accessoires verwechseln könnte. Punk zum Beispiel klammerte sich an die Sicherheitsnadel. Ein Symbol für Zerrissenheit. Und Hiphop gönnt sich die Goldkette. Sie steht für Geld und Macht. Diese Zeichen wirken wie ein magisches Amulett. Hat man sich ihrer erst bemächtigt, muss man in seinem kleinen Leben selbst so zerrissen gar nicht sein, um trotzdem eindrucksvoll den Punk zu markieren. Keineswegs hat jeder Rapper das Geld, das seine Goldkette behauptet. Es ist Magie.

Mutabor. Die Sonnenbrille. Sie macht aus einem Rocker den Garagenrocker. Finstere Gesellen in dunklen Kellerlöchern, wo man so eine Sonnenbrille eigentlich nicht braucht. Doch eingeschrieben hinter den dunklen Gläsern steht: Drogen! Devianz! Geheimnis! Wie die Augenmaske eines Zorro, weil auch der Garagenrocker unterwegs ist als Rächer des Guten, Wahren, Schönen, um den Rock’n’Roll aus den Händen der Hitparade zu retten. Den schundigen Lärm, den bösen Krach, wahrhafte Aufmüpfigkeit.

Gegenprobe: Heino. Ohne Sonnenbrille gar nicht denkbar. Sie macht ihn dennoch nicht zum Garagenrocker des volkstümlichen Schlagers.

Begeisterter Sonnenbrillenträger ist auch Rudi Protrudi, der mit den Fuzztones den Garagenrock erst wieder an die nächsten Generationen weitergegeben hat und als Relaisstation für den Kontakt zu den Originalsonnenbrillenträgern aus den Sechzigern sorgte, die ja weiterhin noch around sind: wie Sky Sunlight Saxon von The Seeds, neben Roky Erickson von den 13th Floor Elevators der große Andere des Garagenrocks. Am heutigen Freitag spielt Saxon im Roten Salon der Volksbühne, und zur Erweiterung der psychedelischen Erfahrung tritt dazu die Berliner Magnificent Brotherhood an. 22 Uhr. 12 Euro. THOMAS MAUCH