Hör mit dem Schmerz

Gegen Slade gibt es natürlich überhaupt nichts einzuwenden. Mit ihrem auf Plateausohlen stehenden Hardrock brachten sie nicht wenige Menschen halbwegs sicher durch die Pubertät, Anfang der Siebzigerjahre, weil sie so tolle Lieder hatten wie „Mama Weer All Crazee Now“, die man schon ein wenig lauter drehen musste. Auch auf die Gefahr hin, dass Mutti in den Wahnsinn getrieben wurde und mal wieder mit der ultimativen Forderung ins Zimmer einbrach, dass jetzt und sofort die Musik leiser gemacht werden müsse. So war das in den antiautoritären Haushalten. In den autoritären wurde einem einfach die Platte weggenommen. Folter gegen Folter.

Ein anderes und immer wieder gern gehörtes Beispiel musikalischen Terrors ist die Vertreibung des Generals Noriega 1990 in Panama, der sich in der dortigen Botschaft des Vatikans verschanzt hatte. Die wurde dann so lange von der US-Armee beschallt, bis Noriega zermürbt aufgab. Die US-Armee machte es mit dröhnendem Hardrock. Das heißt aber nicht, dass nur der die Musik sei, die auch den härtesten Mann in die Knie zu zwingen vermag. Es hätten auch die Brandenburgischen Konzerte von Bach sein können, die einem bei entsprechender Lautstärke und unablässig hintereinander abgespielt gehörig auf die Nerven gehen können. Zumal, wenn man die Musik gar nicht bestellt hat.

Womit man bei dem Thema wäre, das am Wochenende im HAU unter dem bei den Einstürzenden Neubauten geborgten Motto „Höre mit Schmerzen!“ diskutiert wird: der Zusammenhang von „Musik und Folter“. Der Frage, „warum sich Musik zur Folter so viel besser als andere Künste eignet“, kann dabei gleich mit Wilhelm Busch geantwortet werden: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden.“ Beharrlich an der Nuntiatur vorbeigetragene Gemälde hätten auf Noriega schlicht nicht den gleichen Effekt gehabt. Was an einer menschlichen Fehlfunktion liegt. Die Augen kann man zumachen. Die Ohren nicht.

Freundlicherweise aber teilen die „Musik und Folter“-Veranstalter mit, dass keiner gezwungen wird. Nicht zum Vortrag am Samstag von Steve Goodman über Musik als Mittel der Kriegsführung (siehe dazu die Besprechung seines Buches „Sonic Warfare“ heute im Kulturteil der taz) um 20.30 Uhr im HAU 1 und nicht zum anschließenden Konzert im HAU 2 mit Soisong, dem neuen Projekt von Peter Christopherson, der sich als Gründungsmitglied von Throbbing Gristle schon mit Schmerzmusik auskennt. Am Sonntag referieren Suzanne Cusick über Musik als Folter und Diedrich Diederichsen über die Lust am Schmerz bei der Musik. THOMAS MAUCH

■ Höre mit Schmerzen: HAU, Sa+So