Es war nicht alles schlecht

Mit der sogenannten Ostalgie ist es wie mit den Touristen in den In-Bezirken: Entkommen ist unmöglich, Widerstand ist zwecklos. Das Problem ist nämlich, dass jede Person, die in der DDR einen größeren Teil ihres Lebens zugebracht hat, natürlich auch, vielleicht sogar mehrheitlich, gute Erinnerungen mit sich herum trägt. Nicht wenige dieser Erinnerungen sind in der Sache doch sehr an die Existenz jenes anderen deutschen Staates gebunden. Gerade bestimmte sinnliche Eindrücke wie Geschmäcke und Gerüche sind an den Ort ihrer Entstehung gebunden und somit verloren und vermisst.

Im Zuge des rauen Ausputzes direkt nach der Eingliederung der fünf ostelbischen Bundesländer sind neben der Schokolade und den Spreewaldgurken auch diverse Bücher und Schallplatten auf dem, diesmal antileninistischen Kehricht der Geschichte gelandet. Die sentimentalen Erinnerungen kamen jedoch bald und das mit Kraft. Lebensmittelmarken aus der DDR haben eine Renaissance erlebt und zum Glück wurde auch das ein oder andere Kinderbuch und dergleichen kulturell anerkennenswerter Dinge mehr wiederentdeckt. Dass diese Entwicklung bisweilen ernsthaft ostalgische Züge hatte und hat, ist nicht zuletzt ein Ergebnis der zum Teil immer noch vorhandenen totalen Ablehnung und Verteufelung jeder Sache, die auch nur entfernt nach DDR riecht. In der ersten Einheitseuphorie mag man ja vielleicht damit durchkommen, die Vorliebe für eine Schlagersüßtafel als ersten Schritt zur Verharmlosung des Stalinismus zu apostrophieren, irgendwann lachen die Leute drüber. Oder schlimmer noch: Sie nehmen’s ernst, essen die Schlagersüßtafel trotzdem und assoziieren Stalin fortan mit Schokolade. Irgendwie süß halt.

Der Traumzauberbaum“ und sein Vorgänger „Geschichtenlieder“ war das überaus erfolgreiche Projekt des vormaligen DDR-Jazzmusikers Reinhard „Lacky“ Lakomy und seiner Ehefrau Monika Ehrhardt. Auf den Alben werden, von einer lockeren Rahmenhandlung zusammengehalten, kurze abgeschlossene Geschichten in Liedern erzählt. Das ist intelligente und freundliche Unterhaltung. Die Charaktere sind liebenswürdig und einprägsam – wer mit ihnen aufgewachsen ist, vergisst Moosmutzel und Waldwuffel nicht so schnell. War nicht alles schlecht, nicht wahr. Kann man so sagen, solange damit nicht versucht wird unter den Tisch zu kehren, dass auch nicht alles gut war. Oder sich gar die „gute, alte Zeit“ zurückwünscht, was in Sachen Traumzauberbaum überhaupt unnötig ist, der wächst nämlich auch im Westen. Das kann am 1. Mai zum 30-jährigen Jubiläum in drei Vorstellungen im Admiralspalast verifiziert werden. KRT