Geister im Wald

Folk, das klingt irgendwie urwüchsig, eher rückwärts- als vorwärtsgewandt und lässt sich mit dem Gedanken an eine – wie auch immer geartete – künstlerische Avantgarde scheinbar gar nicht vereinbaren. Zumindest dem Namen nach knüpft die Musik ja an Traditionelles, Volkstümliches an und suggeriert damit das Gegenteil von verfeinertem Pop. Dass man mit dieser Gegensatzbildung nicht sonderlich weit kommt, kann man unschwer an Vertretern des gegenwärtigen Folk wie der Harfenistin Joanna Newsom erkennen. Hier hat man es mit einer gesteigerten Künstlichkeit zu tun, in der die akustische Instrumentierung praktisch das einzig Konventionelle ist und die manch „zeitgemäß“ produzierten Pop reichlich bodenständig aussehen lässt.

Beim aktuellen Freak Folk – oder wie man ihn auch nennen mag – handelt es sich ohnehin um ein Revival zweiter oder dritter Ordnung. Schließlich verstand sich schon die in den vergangenen Fünfzigern entstandene Folkbewegung um Woodie Guthrie oder Pete Seeger als Revival und zeigte ihrerseits nur lose Anknüpfungen an schlichte Volksweisen, war vielmehr populäres Kunstlied unter Verzicht auf elektrische Verstärkung des Instrumentariums. Was manche Musiker nicht davon abhielt, später wieder den Strom anzuschalten: Marc Bolans akustisches Unternehmen Tyrannosaurus Rex etwa wurde einige Jahre später als T. Rex zum Ursprung allen Glamrocks.

Dass man heute aus sämtlichen zur Verfügung stehenden technischen Mitteln frei wähen kann, ist einer der Fortschritte, der nicht zuletzt auch den elektronischen Umwälzungen der letzten beiden Dekaden zu verdanken ist. Für welche künstlerische Strategien man sich dabei entscheidet, ist lediglich Frage der eigenen Haltung oder Vorlieben. Auch die Formen, seien es Song, Track oder amorphes Klanggebilde, stehen gleichberechtigt nebeneinander.

So kann ein experimenteller Musiker wie Alexander Tucker, der am Sonntag mit den ähnliche gesinnten Kollegen von Wooden Wand im Monarch zu hören sein wird, Gitarren- und Streicherarrangements mit anorganischen Synthesizertönen paaren und auf seine ausgefeilt-eingängigen Folksongs auch schon mal ambientartige Skizzen folgen lassen. Und mit seinen Texten von seltsamen Wesen aus dem Jenseits oder sonst wie fremden Welten bewegt er sich auf dem schmalen Grat zwischen avancierten Abwegigkeiten und dem dann zur Abwechslung mal wirklich volkstümlichen Bedürfnis nach Märchen und Schauergeschichten. TIM CASPAR BOEHME

■ Alexander Tucker: „Dorwytch“ (Thrill Jockey), live: Monarch, 19. 6., 21 Uhr