Eine kurze Lektion in Sachen unerwarteter Gemeinsamkeiten

Dieser Satz wird viele zutiefst erschüttern, aber die schmerzhafte Wahrheit muss ans Licht: Knorkator und Rosenstolz haben allerhand gemeinsam. Jedenfalls mehr, als den Fans beider Bands lieb sein dürfte. Erst mal sind es die Fans selbst: Sowohl der galoppierende Irrsinn, den Knorkator verbreiten, als auch der tapfere Durchhaltepop von Rosenstolz haben nicht nur eine Menge Anhänger gefunden, sondern auch noch besonders fanatische. Außerdem haben beide Bands unlängst Comebacks gestartet. Rosenstolz sind nach dem Burn-out von Songschreiber Peter Plate zurück, Knorkator hatten sich 2008 sogar völlig aufgelöst. Mastermind Alf Ator wolle nach Thailand auswandern, hieß es, später gab er zu, dass ihm einfach keine neuen Reime auf „ficken“ mehr einfielen. Nun kehren Knorkator mit „Es werde Nicht“ zurück und tatsächlich: Die Texte sind lange nicht so fäkalisiert wie früher. Nicht, dass Knorkator nicht weiter für Geschmacklosigkeiten gut wären: So versichert Sänger Stumpen nun, er sei in der Lage, „den Todeszeitpunkt einer Wasserleiche am Geschmack“ bestimmen zu können. Dazu knarzt wie gewohnt die Heavy-Metal-Gitarre von Buzz Dee, aber manchmal setzen sich auch Ators Keyboards durch.

Kurz gesagt: Musikalisch gibt es trotz Denkpause keine großen Überraschungen auf dem seltsamen Planeten Knorkator. Auch das inhaltliche Problem ist das alte: Egal, wie man ihren Humor nun findet, Witze neigen dazu, nicht mehr lustig zu sein, wenn man sie zum zweiten oder dritten Mal erzählt bekommt. Vielleicht deshalb haben Knorkator einen anderen, von Kritikern gern unterschätzten Teil ihres Schaffens ausgebaut: Musik übers Musikmachen zu machen. Dieser, wenn man so will, Meta-Pop mag nicht so elegant sein wie der von, sagen wir mal, Jochen Distelmeyer, ist dafür aber lustiger. „Ich verfluche dieses Lied“, reimt Ator zum Schluss des Albums auf: „Und das Arschloch, das es schrieb“. Und der Song „Refräng“ handelt sogar ausschließlich von seiner eigenen Struktur: „Jetzt kommt die Bridge“, singt Stumpe, oder „Zeit für den Refrain“, und dann kommen auch die Bridge und der Refrain, der wiederum nur aus der Zeile „Refräng“ besteht.

Rosenstolz dagegen würden niemals ihre Tricks entlarven. Stattdessen könnten Peter Plate und AnNa R. die letzten Popstars auf diesem Planeten sein, die zusammen mit ihren Fans noch fest an den authentischen Ausdruck glauben. Das fängt beim Titel an: Nach Tourabbruch, Nervenzusammenbruch und Flucht nach London sendet Plate die unmissverständliche Botschaft „Wir sind am Leben“: die große Geste zum großen Comeback. Das ist verbunden mit dem ganz großen Pathos, das Rosenstolz so gut können wie niemand sonst hierzulande. Die Songs, in denen die Geschundenen und Benachteiligten Zuflucht finden, sind wie gewohnt in moderatem Tempo, mit geschmackvoll unaufgeregter Instrumentierung und garantiert vollkommen ernsthaft umgesetzt. Da trennen sich dann endgültig die Wege: Rosenstolz kennen gar keine Ironie, Knorkator übertreiben es mit ihr.

THOMAS WINKLER

■ Knorkator: „Es werde Nicht“ (Tubareckorz/Rough Trade)

■ Rosenstolz: „Wir sind am Leben“ (Universal)