Pop- und Politlegenden

Wohl kaum eine andere Band liefert einen so schlagenden Beweis für den geringen Einfluss des Feuilletons wie Mutter (im Bild). Denn ginge es nach den Popjournalisten des Landes, müssten Mutter seit 20 Jahren Stadien bespielen. Wenn man es genau nimmt, ist Mutter die einzige deutsche Band, die überhaupt noch spielen müsste. Stattdessen bespaßen sie Clubs und Tavernen – das aber grad so, als ob es riesige Arenen wären. Sänger Max Müller und die ganze Combo machen nämlich nicht nur brillante Musik, die die ganze Hamburger Schule schon in den Schatten stellte, bevor es sie gab, sie präsentieren diese auch mit der Hingabe und der nötigen Ironie, die ein Leben als größtes Talent und als Maßstäbe setzender Geheimtipp so braucht, um nicht verrückt zu werden über die eigenartige Verteilung des Ruhms. Am Sonntag geben Mutter ein auf jeden Fall grandioses Konzert im Festsaal Kreuzberg.

Bereits am Samstag spielen Egotronic im White Trash. Die Leistung der Elektropunker um Torsun besteht im Wesentlichen darin, den hedonistischen Soundtrack zur politischen Strömung der Antideutschen geliefert zu haben („Raven gegen Deutschland“). Jene sind, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hatten – nämlich die Sollbruchstelle in der deutschen Linken aufzuzeigen –, im Wesentlichen in der Versenkung politischer Irrelevanz abgetaucht. Nur hin und wieder werden sie als Kampfbegriff ihrer innerlinken Antagonisten, der „Antiimps“, wiederbelebt, um als untoter Wiedergänger eventuell abweichende Meinungen zu denunzieren. Na jedenfalls, auch wenn es die Antideutschen als politische Kraft nicht mehr gibt, als Partymotto leben sie weiter, und Egotronic sind weiterhin ihr unbestrittener Headliner – eine neue Platte haben sie auch im Gepäck. KRT

■ Mutter: 30. Oktober, 21 Uhr, Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Str. 130

■ Egotronic: 29. Oktober, 21 Uhr, White Trash, Schönhauser Allee 6