Großreinemachen im CD-Regal zum Jahreswechsel

Man muss ja mal aufräumen. Spätestens am Jahresende. Die Haufen durchforsten, die sich 2011 angesammelt haben. Entscheiden, was rausmuss und reindarf in die Rotation.

Rein: „Behaviour“ von Feline & Strange (office4music.com)

Man muss Jazz, Musical-Melodien, Blues und so lateinamerikanisches Rhythmikzeugs nicht mögen, um Feline & Strange schätzen zu lernen. Aber es hilft. Die gelernte Opernsängerin und Schauspielerin Feline Lang hat sich ein paar in Ehren ergraute Musikanten gesucht, um ihre sehr speziellen musikalischen Vorstellungen umzusetzen. Dabei werden mehr Genres miteinander versöhnt, als man hier aufzählen könnte. Was man allerdings unbedingt feststellen muss: Wie diese Versöhnung gelingt, das ist eines der großen Geheimnisse des Jahres.

Raus: „Fhainkost“ von Musix (Dunefish/SPV)

Die Idee von Musix ist ja gar nicht schlecht: Lieder, die ein typisches Berliner Lebensgefühl in sich tragen, also Lieder über One-Night-Stands, den Sommer in der Stadt, Alltagsfrust und die Berliner S-Bahn, aber diesmal nicht im larmoyanten Electro-Rock, sondern a capella vorgetragen von fünf Männerstimmen. Technisch ist das Vokalensemble auch auf einem sehr guten Niveau, aber die Songs sind mit ihrem bisweilen verklemmten Humor bloß bemüht und nicht eben brillant. Da wird selbst die stimmliche Perfektion mit der Dauer schal.

Rein: „Underwater Love“ von Stereo Total (Disko B/Indigo)

Eine Regie-Legende des japanischen Softporno-Kinos dreht in nur fünfeinhalb Tagen, mit einem britischen Kameramann und finanziert von einer deutschen Produktionsfirma, einen Film über eine Fischfabrikarbeiterin, die sich in ein Wassermonster verliebt. Der dazugehörige Soundtrack stammt vom Berliner Duo Stereo Total und hört sich entsprechend an: großartig billig, fantastisch und fantasievoll, völlig durchgeknallt und alle kulturellen Grenzen systematisch missachtend.

Raus: „Shibuya Nights – Live in Tokyo“ von Agitation Free (Esoteric/Rough Trade)

Agitation Free haben zweifellos ihre Verdienste. Aber die liegen eine Weile zurück. Heute wirkt das Krautrockgewaber, das die Band hier noch einmal in Urbesetzung aufführt, doch recht betagt. Die Erkenntnis der dokumentierten Auftritte in Tokio 2007 ist: Die Einflüsse auf heutigen Postrock und New-Age-Geschwurbel sind unüberhörbar, in ihrer Radikalität auch durchaus spannend, aber in ihrer ganzen Länge doch arg anstrengend.

Rein: „World Warren III“ von Warren Suicide (Shitkatapult/Alive)

Gäbe es Warren Suicide nicht schon, man müsste sie erfinden. Denn niemand bringt wohl so gelungen alle Berliner Klischees auf den Punkt wie das Duo, das zugleich Band, Lebensgemeinschaft und Kunstproduktionseinheit ist. Zwischen Elektronik und Rock, zwischen Tanzboden und Abrisskneipe, zwischen Geige und Computer, zwischen Kunst und Trash entstehen hier Hits, zu denen man ebenso gut verbittert durch den Berliner Nieselregen stapfen wie fröhlich den Tag zur ewigen Nacht machen kann. THOMAS WINKLER