Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Dass Kleider Leute machen, hat nicht erst der Hauptmann von Köpenick seinen Zeitgenossen vorgeführt. Lange davor hat der Schweizer Dichter Gottfried Keller in seiner Novelle vom schönen Schneider, der für einen Grafen gehalten wird, die Sache noch viel subtiler auf den Punkt gebracht. Im Theater an der Parkaue, wo aus alten Stoffen immer wieder neue Kleider geschneidert werden, postdramatische meist, hat sich das Performancekollektiv norton.commander.productions nun der Sache angenommen. Premiere ist am Donnerstag. Wie im Bewusstsein aus Gegenwart Vergangenheit und schließlich Geschichte wird, das zu untersuchen hat sich der Medienkünstler Chris Kondek in seinem Abend „Please Kill 2011“ vorgenommen, der am Donnerstag im HAU 2 herauskommen wird. Psychologen werden dann Tagebücher von 2011 erörtern, ein Forensiker dem Jahr aus der Hand lesen und eine Finanzbeamtin alle Kontobewegungen der letzten Dekade kontrollieren. Ein Medium schließlich versucht auf parapsychologischem Weg, eine Verbindung mit dem Geist des letzten Jahres herzustellen. Zeit und ihre Entstehung spielen auch im Abend „Der Urknall oder Die Suche nach dem Gottesteilchen“ der Truppe CapriConnection um die Regisseurin Anna-Sophie Mahler eine Rolle, der Einblicke in echte Wissenschaftlerseelen gewährt. Wem das alles zu anstrengend ist, der mache sich auf in den Heimathafen Neukölln. Dort steht Georg Kaisers und Micha Spolianskys legendäre Roaring-Twenties-Revue „Zwei Krawatten“ auf dem Programm. Und zwar mit ausgesprochen versierten Kräften fürs Schräge, die ansonsten in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ihr Unwesen treiben. Bärbel Bolle und Frank Büttner zum Beispiel. Auch hier machen in gewisser Weise Kleider Leute. In diesem Fall krempelt eine Krawatte das Leben eines Kellners um.

■ „Kleider machen Leute“: Parkaue, ab Mo.

■ „Der Urknall oder Die Suche nach dem …“: HAU 3, Fr.–So.

■ „Please Kill 2011“: HAU 2, ab Do.

■ „Zwei Krawatten“: Heimathafen Neukölln, ab Do.