Rock raus aus der harten Schale mit Fugalo und wundervoll hingehuschter Weichei-Pop mit Gary

Er hat’s echt nicht leicht, der Mann. Die Zeit findet, er könne mal ein bisschen männlicher sein, der Stern kleidet ihn neu ein, und selbst diese Zeitung, deren Gründerinnen einst ziemlich genau die Sorte Schattenparker vorschwebte, den sie heute zu luschig finden, fragt erschüttert: „Ist der neue Mann ein Weichei?“ Kein Wunder, dass auch der Rocker nicht mehr ist, was er mal war.

Beispiel eins: Fugalo spiegeln in fast jedem Song ihres neuen Albums „Tiefe Wasser“ ihr gebrochenes Verhältnis zum Mannsein. Gleich im ersten Song bittet Sänger Norman Nitzel eine Frau, sie möge ihm als „Fallschirm“ dienen. Und schon im zweiten Lied ist der Protagonist in die Falle gegangen, hat seine Freiheit gegen die Enge der Kleinfamilie eingetauscht: „Ein Mann, eine Frau, ein Blumenstrauß / Ein Kuss, ein Blick, ein kleines Glück / Ein Kind, das lacht und Hoffnung macht.“ Der Song, der die Identitätskrise griffig zusammenfasst, heißt dann „Über Bord“, und in ihm klagt Nitzel: „Wer hat die Schranken geklaut / Die hatte ich selbst gebaut.“ Ja, wo ist sie hin, die harte Schale?

Wenn sich das Berliner Quartett dann mal doch herantraut an die alten Klischees, die so lange gute Dienste geleistet haben, müssen sie wie in „Junge liebt Mädchen“ tief in Ironie getaucht werden, um weiter bestehen zu können: „Alles geht vorbei, selbst die größte Liebelei.“ Aber auch musikalisch haben drei Jahrzehnte Feminismus ihre Spuren hinterlassen. Man könnte denken: Indem Fugalo ihre Selbstzweifel mit herrlich konventionellem Allerweltsrock unterlegen, beweisen sie, dass der Warmduscher nicht nur das internationale Hipstertum unterwandert, sondern nun auch bereits den Mainstream erobert hat. Selbst die offensichtlich an klassischen Vorbildern geschulten E-Gitarrenhandwerker von Fugalo vermeiden es tunlichst, ihr Instrument allzu phallisch einzusetzen. Jeder Anflug von Gitarrenmackertum, selbstgefällige Soli oder ein allzu ausführliches Herumreiten auf abgeschmackten Riffs wird sofort abgewürgt. Es ist erstaunlich, wie rockig und doch auch irgendwie, ja, ähem, sanft eine Rockband klingen kann.

Beispiel zwei: Gary rekonstruieren auf ihrem dritten Album „Hey Turtle, Stop Running!“ wieder mal liebevoll den Indie-Pop. Und der legte ja bekanntlich nicht nur großen Wert auf Gitarren, die klingen sollten wie eine unaufgeräumte WG-Küche, sondern auch auf ein halbwegs gleichberechtigtes Geschlechterverhältnis. Dass sich das dann meist darin erschöpfte, dass man eine Frau ans Schlagzeug setzte oder an die Keyboards, dafür können ja Gary nichts. Hier darf Astrid Noventa immerhin an die Gitarre und sogar singen, aber die Hauptrolle spielt meistens Robert Stadlober. Der sonst als Schauspieler tätige Sänger kultiviert sehr überzeugend und herzerweichend die Pose vom sensiblen Mann: „Could I fall in love with anything“, fragt er in „Love is Love“, und antwortet vollkommen ironiefrei: „I guess I could.“ Aber man muss schon zugeben: So entspannt, so wundervoll hingehuscht klang der Weichei-Pop von Gary niemals zuvor. THOMAS WINKLER

■ Fugalo: „Tiefe Wasser“ (Granted/ Soulfood), 14. 4. live im Aufsturz

■ Gary: „Hey Turtle, Stop Running!“ (Siluh/Alive)