Im diskursiven Ring: Hasenscheisse ist, wo kein Scherz liegen bleibt, und Doctorella kennen den ziemlich schmissigen Popsong

Verehrtes Publikum, begrüßen Sie mit uns, in der rechten Ecke: Hasenscheisse, nicht unbedingt der Platzhirsch, aber doch die Gebrüder Blattschuss unserer Zeit. Das ungefähr Siebt- oder Achttollste, was dem deutschen Humor passieren konnte. Aber nun zur Herausforderin in der linken Ecke: Doctorella, die Diskursmuskel bis zur letzten Faser gespannt, den Feminismus durchtrainiert, die Poptheorie im Anschlag. Das wird ein harter Kampf.

Doctorella und Hasenscheisse überhaupt auf demselben Planeten verorten zu wollen oder gar in einen Ring zu stecken, das ist schon gewagt. Diese Gegensätze ziehen sich zwar nicht unbedingt magisch an, aber ein direktes Aufeinandertreffen offenbart doch: Das straßenmusikgestählte Quintett, das noch kaum einen Scherz hat liegen lassen, und die Band um die Zwillinge Sandra und Kerstin Grether, die als Autorinnen fürs intellektuelle Pop-Magazin Spex bekannt wurden, haben wechselseitig womöglich mehr miteinander gemeinsam, als ihnen lieb ist.

Hasenscheisse beweisen auf ihrem neuen Album „a-Moll“, dass sie sich seit ihrem Überraschungshit „Bernd am Grill“ und den anschließenden, durchaus treffend betitelten Alben „Für eine Handvoll Köttel“ und „Für ein paar Köttel mehr“ durchaus weiterentwickelt haben. Nicht nur beherrschen sie musikalisch mittlerweile so ziemlich alles, was schnell ist und als lustig konnotiert, also vor allem Polka und Bossa, Ska, Rockabilly, Walzer und allerhand Osteuropäisches. Sie haben aber auch in die berlinernden Texte, obwohl deren Humor immer noch nicht allzu diffizil ausgearbeitet ist, mittlerweile ein paar Metaebenen eingezogen, nicht nur weil sie beständig mit dem eigene Image als allzeit bereite Saufkapelle spielen. Im Titelsong loben sie die Schönheit und vor allem die universelle Einsetzbarkeit des einfachsten aller Gitarrengriffe, und zum Abschluss lassen sie in „Hätte, hätte, hätte“ sogar jene traumhafte Altersruhesitzvision auftreten, die Peter Fox in seinem Hit „Haus am See“ entwirft, nur dass die Orangenbäumchen nicht so recht wachsen wollen.

Doctorella zeigen auf ihrem Debütalbum „Drogen & Psychologen“, das sie seit früheren Bands wie Parole Trixi und den vielen Büchern und Artikeln einiges gelernt haben. Nicht nur gelingt ihnen nun immer wieder ein ziemlich schmissiger Popsong, hier vor allem „Bring mich nach Paris“ und „Liebe Stadt“. Sie haben auch den politischen Anspruch zumindest ein paar Diskursebenen nach unten verlagert, um die Anschlussfähigkeit zu erhöhen. Ihre Geschlechtsgenossinnen suchen wie in „Sheena Loves The Singer“ mal als Groupie einen Ausweg aus der ganzen Scheiße, verzweifeln aber schlussendlich immer an den Männern, den eigenen Ansprüchen und den Seelendoktoren. Also warten sie in „Lass uns Märchenwesen sein!“ doch tatsächlich auf den Prinzen, bis die „Rosen wieder blüh’n“.

Jedem also seine Träume, bei beiden mit ironischem Sicherheitsabstand.

Aber, da ist man sich einig: Irgendwas wächst immer, hier wie dort und über alle Unterschiede hinweg. THOMAS WINKLER

■ Doctorella: „Drogen & Psychologen“ (ZickZack/Indigo), Record-Release-Party heute im Kater Holzig

■ Hasenscheisse: „a-Moll“ (K.Rotten/Soulfood), Record-Release-Party heute im Lido