Unaufgeregter Songwriter-Pop von Jeanette Hubert, aufgeregter 80er-Synthie-Rock von Children

Manchmal nervt Berlin ganz schön. Dieses selbstbesoffene Wir-sind-wieder-Wer der Kreativmetropole und Partywelthauptstadt. Manchmal muss es auch mal nicht so aufregend und vermeintlich neu und gewollt anders sein. Manchmal darf es ruhig auch mal einfach gutes Handwerk sein. So wie das, was Jeanette Hubert abliefert auf „On The Run“.

Die in Karlsruhe geborene und in Berlin aufgewachsene Hubert ist eine Singer-Songwriterin. Mehr nicht, aber halt auch nicht weniger. Als sie 15 Jahre alt war, hat sie das Duo Ginger Nuts gegründet und ist mit ihm durch die Republik getourt, immer schön durch die Jazz-Keller, Kleinkunstbühnen und Stadtteilzentren. Danach hat sie mal dort im Background gesungen, mal hier im Vorprogramm gespielt, am einen oder anderen Wettbewerb teilgenommen und manchmal sogar gewonnen. Richtig cool war das alles nicht, aber eine gute Schule. Das kann man nun hören, denn ihre Songs spazieren ganz selbstverständlich dahin: unaufdringlich instrumentiert, naheliegend arrangiert, und dann eingespielt, als säßen die Musiker an einem lauen Sonntagnachmittag auf der Veranda und wären mit dem Ausblick ebenso beschäftigt wie mit der Musik.

Folgerichtig trödelt der Folk-Rock verträumt und ohne zu große Gefühlswallungen dahin, wenn ihm nicht gerade mit ein bisschen Country Beine gemacht wird oder er sich mit Jazz-Einflüssen ein wenig wichtig nimmt. Dazu fragt sich Hubert, welche Geheimnisse der Geliebte verbirgt, wie sie ihm die Vögel zeigen könnte, die in ihr singen, und tauft ihn schließlich Honigkuchen. Man könnte jetzt sagen: Das, was Hubert so spielt und singt, das ist schon sehr brav. Damit hätte man sicher recht. Aber andererseits ist es mal schön zu hören, dass jemand nicht einfach bloß eine gute Idee hatte, aber leider eher überschaubares Talent, diese umzusetzen. Hubert hat vielleicht keine bahnbrechenden Ideen, aber ein paar schöne, eingängige Songs und dazu noch das Vermögen, diese bestmöglich klingen zu lassen.

Eher umgekehrt verhält es sich mit Children. Die Idee des Trios, das zusammen in Mecklenburg aufwuchs, bevor es nach Berlin zog, ist ungleich zeitgemäßer, dafür aber noch lange nicht ausgegoren. Über modisch muckernden Electro-Beats und absichtsvoll billig klingenden Synthie-Melodien nehmen zwei Frauenstimmen ganz abgeklärt eine rebellische Pose ein: „I’m in the mood for starting a riot“, singen sie, klingen dabei aber so verschreckt, als hätten sie sich gerade im virtuellen Wald verlaufen.

Ja, da muss man Children zustimmen: Die achtziger Jahre sind gerade schwer angesagt. Aber die vier Songs ihrer ersten Veröffentlichung, der EP „No Future“, sind kaum mehr als ein Gedenken an ein Jahrzehnt, von dem es heißt, dass die, die sich daran erinnern, wohl kaum dabei gewesen sein können. Die drei von Children sind eh zu jung, um eigene Erfahrungen zu verarbeiten, ihrer Reminiszenz fehlt trotzdem ein Mehrwert jenseits der Nostalgie. Aber da könnte noch was draus werden. So gesehen passen Children perfekt nach Berlin. THOMAS WINKLER

■ Jeanette Hubert: „On The Run“ (Ozella/Galileo MC), live am 22. 7., Zimmer 16, und am 16. 8. im Schlot

■ Children: „No Future“ (AdP Records/Alive), Record-Release-Party am 20. 7. im White Trash Fast Food