Minarette am Rhein

Der Bau der Moschee in Köln kann nun beginnen – so hat es der Rat der Stadt nach langer Diskussion entschieden. Endet damit auch der Streit über das islamische Gotteshaus?

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

Weder knallende Sektkorken noch fliegende faule Eier, weder Jubel- noch Proteststürme – nur ein zufriedenes Lächeln auf den Gesichtern der Vertreter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) auf der Zuschauertribüne: Erstaunlich geschäftsmäßig räumte der Kölner Rat am Donnerstagabend die letzte parlamentarische Hürde für den Bau der von der Ditib geplanten repräsentativen Moschee beiseite. Damit findet ein jahrelang in der Rheinmetropole erhitzt geführter Streit ein bemerkenswert unaufgeregtes – zumindest vorläufiges – Ende.

Auch schon die eineinhalbstündige Debatte zuvor um den „Beschluss über Stellungnahmen sowie Satzungsbeschluss betreffend die 3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 65460/06“ dürfte nicht als parlamentarische Sternstunde in die Annalen eingehen. Beinahe schon lustlos wirkend, gaben die meisten Redner ihre Ansichten zu Protokoll. Einzig die grüne Fraktionsvorsitzende Barbara Moritz sorgte für eine gewisse Aufregung im Saal, als sie der CDU vorhielt, sie stelle sich mit ihrer Ablehnung des Moscheeneubaus „mit den Braunen ins politische Abseits“. Vor ihr hatte der CDU-Fraktionsvize Karl Jürgen Klipper begründet, warum seine Partei mittlerweile ihre ursprünglich zustimmende Position gewechselt hat und nun gemeinsam mit der rechtsextremen „Bürgerbewegung pro Köln“ dagegen stimmt. Eigentlich sei die CDU ja durchaus für den Bau einer repräsentativen Moschee – nur eben nicht in dieser Form. Die Höhen des Gebäudes seien nicht „maßstabsgerecht“, die Dimensionen würden als „Machtdemonstration der Ditib“ empfunden, die Zugeständnisse des Bauherrn seien nur Absichtserklärungen. Seine Quintessenz: „Die Moschee sowohl von ihrem äußeren Erscheinen als auch ihrem inneren Erleben entspricht nicht unserer Vorstellung von nachhaltiger Integration.“ Süffisant kommentierte die Grüne Moritz die Ausführungen ihres schwarzen Ratskollegen: „Wenn ich die CDU richtig verstehe, würde sie eine Moschee akzeptieren, wenn sie kleiner wäre, einen Glockenturm hätte und ein Kreuz auf dem Dach.“

Wahrscheinlich könnte sich unter diesen Voraussetzungen sogar Ralph Giordano mit dem Bau anfreunden. Der Publizist ist die prominenteste Stimme gegen das islamische Gotteshaus. Mit seiner 36,5 Meter hohen Kuppel und den beiden 55 Meter in die Höhe ragenden Minaretten stellt das von den Kirchenbaumeistern Paul und Gottfried Böhm entworfene Gebäude seiner Ansicht nach „eine Art Kriegserklärung an die Umwelt“ dar. Den von einer breiten Mehrheit aus SPD, Grünen, FDP, Linken und der Wählervereinigung Kölner Bürger Bündnis gefassten Beschluss bezeichnet Giordano als eine „integrationsfeindliche Entscheidung“. Zwischen Hinterhof- und Großmoschee hätte es „sehr wohl Abstufungen ohne den Abschreckungseffekt der Ehrenfelder Dimension gegeben“.

Streit über Grundrechte

Dabei reichen die angeblich zu hohen Minarette nicht einmal an die Höhe einer einzigen Ehrenfelder Kirche heran – geschweige denn an den Kölner Dom, dessen Türme mit einer Höhe von 157 Metern fast dreimal so hoch sind. Sein erbitterter Widerstand gegen das Projekt hat Giordano jedenfalls in heikle Nähe zu falschen Freunden gebracht: der „Bürgerbewegung pro Köln“ – eine Vereinigung, die Giordano selbst als „lokale Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus“ und seine „Todfeinde“ bezeichnet. Ausgerechnet die bräunliche Truppe instrumentalisiert den einst von den Nazis Verfolgten für ihre Zwecke. So entrollten die „pro Köln“-Aktivisten auch am Donnerstag mal wieder vor dem Rathaus ihr Lieblingstransparent. Auf dem prangt groß der Name Giordanos und daneben ein Zitat von ihm: „Es gibt kein Grundrecht auf den Bau einer Großmoschee.“

Nach der Zustimmung des Stadtrates zur notwendigen Veränderung des Bebauungsplans soll nun noch in diesem Jahr mit dem Abriss des alten Fabrikgebäudes begonnen werden, in dem bislang das Ditib-Gemeindezentrum untergebracht ist. Bis 2010 soll dann auf dem Gelände die von Paul Böhm entworfene repräsentative neue Moschee entstehen. Die Baukosten sollen 20 Millionen Euro betragen. Insgesamt entstehen 15.716 Quadratmeter Nutzfläche, verteilt auf mehreren Etagen. Der Gebetsraum macht dabei mit rund 2.000 Quadratmetern nur einen kleinen Teil der Gesamtfläche aus. Hinzu kommen noch ein 1.250 Quadratmeter großer Versammlungsraum und zahlreiche Räume für Jugendarbeit, Sport, Kultur, Seminare und Kurse. Der 2.150 Quadratmeter große Gewerbebereich soll zehn Geschäften Platz bieten. Dabei hat sich der Bauherr entgegen den Behauptungen der CDU durchaus bewegt – wenn auch zum Teil wohl vor allem auch deshalb, weil das Geld fehlt. Die Minarette sehen nun moderner und filigraner aus, es soll weniger Geschäfte als ursprünglich geplant geben. „Der Gesamtkomplex wird nicht größer als ein normaler Kirchen- oder Synagogenbau in Deutschland“, betont die Ditib.

Eine Touristenattraktion?

Der Publizist Günter Wallraff freut sich denn auch schon auf das neue Haus in seiner Ehrenfelder Nachbarschaft: „Die imposante, moderne Architektur dürfte auch für Touristen eine Attraktion sein.“ Außerdem werden die Predigten übersetzt, Sprachkurse sollen für bessere Integration sorgen. Vieles davon waren Forderungen des christdemokratischen Oberbürgermeisters Fritz Schramma, der nie einen Zweifel an seinem Ja zur Moschee gelassen hat. Er ist trotz des Kurswechsels seiner Partei standhaft geblieben. „Ich glaube, dass wir hier in wenigen Jahren von einer kölschen Moschee sprechen werden“, sagte Schramma im Stadtrat – und stimmte zu.