Frank Zander über Integrität: "Ich war der erste deutsche Rapper"

Frank Zander verdient seit über 30 Jahren sein Geld in den seichteren Gewässern der Unterhaltungsindustrie. Mit der taz sprach er über Integrität, Verantwortung und den wahren Kurt aus "Hier kommt Kurt".

Bödesbarde oder Alice Cooper des deutschen Schlagers? Frank Zander. Bild: Thomas Nitz

Der Mann, der das kleine Café am Kurfürstendamm betritt, ist gut gelaunt und gut gekleidet, die blonden Haare sind leicht zerzaust. Auch der Schnauzbart ist dort, wo er hingehört, sein Händedruck ist fest, seine Augen sind freundlich, und seine Stimme ist rau und angenehm. Er ist 66 Jahre alt und sieht tatsächlich genauso aus, wie man sich Frank Zander vorstellt.

taz: Herr Zander, können Sie sich an den Beginn Ihrer Karriere erinnern?

Frank Zander: Anfangs bin ich mit meiner Band, mit den Gloomys, als Begleitband von Christian Anders und Ricky Shane und wie sie alle hießen, durch die Lande gezogen. Und als Musiker hatte man gleich Kontakt mit den Mädels. Den hatte ich vorher nie. Als Musiker hat man halt ganz andere Möglichkeiten, und alles reizte damals.

Haben Sie heute noch Kontakt, also zu den Musikern?

Nein, nicht mehr so richtig. Weil die heute in anderen Sphären schweben, besonders Christian Anders. Den verstehe ich nicht mehr.

Der ist etwas esoterisch geworden, oder?

Ach, sein Hauptanliegen ist nicht der Glaube, sondern die Mädels flachzulegen. So kommt es mir jedenfalls vor. Aber ich will auch keinem irgendwas in die Schuhe schieben. Es ist aber merkwürdig. Ich habe ihm auch schon mal gesagt: "Hilf uns doch bei den Obdachlosen und trag hier nicht irgendwelche heiligen Sprüche vor, sondern tu was!" Na ja, da kam nichts … Also kein Kontakt mehr.

Wie ging es weiter?

Ich war drei Jahre Profimusiker, bin aber wieder ausgestiegen, weil ich eine Mandelentzündung hatte. Ich habe da wieder Grafik gemacht und gemalt. Dabei habe ich tatsächlich eine ganze Menge verdient. Aber ich schielte natürlich immer weiter zur Musik. Und da ging ich dann auch wieder hin, weil mir die Malerei auch langsam auf den Keks ging. Und meine Frau sagte auch, ich könne jetzt wieder Musik machen, denn jetzt würde ich ja nicht mehr auf Tournee gehen. Das war ihr wichtig. Denn wenn Musiker auf Tournee gehen, dann kann man 100-prozentig oder 99,7-prozentig davon ausgehen, dass sie ausschweifen - um es mal milde auszudrücken.

Dann kam Ihr Durchbruch?

Ja. Da kamen die erfolgreichen Songs: "Nick-Nack-Man", "Frankenstein", "Ich trink auf dein Wohl, Marie" und so weiter - da ging es aufwärts.

Schwarzhumor in den öffentlich-rechtlichen Medien, das gab es damals noch nicht.

Stimmt. Ich war der Zeit voraus, da war die Jugend auf meiner Seite. So war es auch mit der Sendung "Plattenküche". Alles war bunt und schrill. Und mein Lied "O Susie - der zensierte Song", bei dem ich einige Worte durch seltsame Geräusche ersetzte, wodurch das Ganze bei den Hörern erst recht frivole Gedanken hervorrief. Der Song kam in Bayern auf den Index, und ab da war er Kult, es ging bergauf.

Was wäre gewesen, wenn Sie 10 oder 15 Jahre später mit diesen Dingen gekommen wären?

Das hätte nicht mehr funktioniert. Nachdem Leute wie Tic Tac Toe schon alles gesagt und ausgesprochen haben. Aber ich bin stolz darauf, der erste deutsche Rapper gewesen zu sein, ich war ein Vorläufer. Frankenstein ist sozusagen der erste Rap gewesen. Ich habe mir meinen Stil erhalten und bin froh damit. Ich will keine anstrengenden Touren mehr machen oder mich mit merkwürdigen Dingen in die Zeitungen spülen, das liegt mir nicht. Aber ich habe auch alles schon mitgemacht. Wir hatten die ersten Comedy-Sendungen, da haben manchmal 26 Millionen Leute zugeschaut. Heute arbeitet man sich von Sender zu Sender, und es ist unheimlich schwer, wenn man nicht jeden Tag irgendwo erscheint, einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Es fächert sich so. Viele fragen mich: Sagen Sie, machen Sie eigentlich noch irgendwas? Und ich antworte, natürlich, ich bin fast jeden Tag irgendwo mit Liveauftritten, oder sei es auch mehr im Hintergrund oder als Synchronstimme …

Worüber können Sie lachen?

Na ja, ganz klar natürlich über englischen Humor, Monthy Python. Was die gemacht haben, war manchmal stark an der Grenze, und man dachte, das können die nicht durchhalten. Aber die hatten die Fähigkeit, bis zu einem Punkt, an dem es beinahe unerträglich wurde, gewisse Dinge doch durchzuhalten, und dann haben sie es genial aufgelöst. Das liegt an diesem Scheißwetter in England, dieser ständigen Feuchtigkeit, dem setzen die ihren trockenen Humor entgegen. Je nördlicher die Gegend, umso trockener der Humor. In Bremen und Umgebung, da haben die auch einen anderen, merkwürdigeren Humor. Werner zum Beispiel, also Brösel, den liebe ich. Mit Münchner Humor hingegen kann ich gar nichts anfangen. Das kommt so breit daher, ich weiß nicht,wo da der Humor steckt.

Sie haben auch viele Parodien gemacht, etwa über "Jeannie". Sehen Sie sich auch etwas als Satiriker?

Satiriker, hm … Das ist etwas sehr hochgegriffen. Ich habe einfach Spaß am Nonsens, der muss natürlich auch einen gewissen Standard haben. "Jeannie" war natürlich etwas Besonderes, weil ich Falco kannte. Die Jeannie stirbt bei mir nicht, sondern fährt nur gegen einen Wagen und macht das Auto kaputt. Das kam sehr gut an, aber Falco war ein bisschen sauer. Weil ich den Nachrichtensprecher in dem Einschub sagen ließ, Falco würde seinen Friseur verklagen. Er wollte, dass ich das rausnehme, aber die Plattenfirma sagte: "Nee, nee, lass das mal drin!" Falco hat ja schließlich auch Schlagzeilen gemacht mit seinen Haaren und anderen extravaganten Dingen. Dinge, die ich eher weglasse. Wenn ich dauernd eine neue Freundin hätte, dann hätte ich auch mehr Presse, hundertprozentig, aber so hält sich das alles in Grenzen.

Was hören Sie privat?

Alles Mögliche. Ab und zu brauche ich es ganz hart und richtig laut. Deshalb habe ich mit meinem Projekt Rabenschwarz deutsche Schlager und Volkslieder im Rammstein-Stil produziert, das hat sehr viel Spaß gemacht. Diese tiefe, raue Stimme hatte ich ja schon lange vor Rammstein, seit ich mit dieser Mandelentzündung auf Tour war. Ich hatte auch auf allen Metal-Internetseiten, also beispielsweise von Metalhammer oder King Asshole und wie sie alle heißen, wirklich gute Rezensionen. Es ist mit richtig harten Gitarren und allem, was dazu gehört, nur dass der Text halt von deutschen Liebesschnulzen kam. Das klingt dann alles wie der schmutzige Mann im Park, der seinen Mantel lüftet: "Siebzehn Jahrrrrrrrrr, blondes Haarrrrr …" Aber ich hatte keinen Rundfunk damit, es wurde nicht gesendet, weil es zu krass war. Das tut dann finanziell ein bisschen weh.

Sie sind der Alice Cooper der deutschen Musikszene!

Danke! Die Leute nehmen mir ja nichts übel. Die Rezensionen lauteten: Frank Zander darf das, weil wir ihn und seine Art aus unserer Jugend gut kennen! Howie darf das nicht. Und Jürgen Drews schon gar nicht. Und da bin ich stolz drauf. Ein Artikel fing so an: "Frank Zander - ey, Leute, nicht gleich kotzen! Ich hab da reingehört: Es ist alles richtig!" Das war ein witziger Artikel und ehrlich gemeint.

Was ist Ihr Lieblingslied?

Da gibt es ein paar, aber "Hier kommt Kurt" bleibt eigentlich schon mein Liebling. Für Kurt gibt es auch ein reales Vorbild. Es war in München in einem Musikcafé: Ich setzte mich meistens unauffällig in die Ecke. Plötzlich kam jemand reingeschneit, von dem ich sofort dachte: "Oh, ey, was ist das denn für ein Typ?" Langer, weißer Mantel mit Fransen, Pferdeschwanz, braun gebrannt - so einer, der aussah, als sei er grad aus den Bergen gekommen. Das Erste, was er machte: Er haute der Kellnerin auf den Arsch, dann fragte er, ob sein Auto angekommen sei - also er machte einen ungeheuerlichen Wind und lauten Wirbel, dann verschwand er wieder, und der Spuk war vorbei. Ich fragte mein Gegenüber, was das nun grad gewesen sei. Der antwortete nur: "Ach, das war der Alois, der hat nicht alle Tassen im Schrank, ein Blender. Nicht so wichtig." Und den Eindruck habe ich mit nach Berlin genommen, und daraus entstand dann der kernige Kurt.

Wie haben Sie sich im Laufe der Zeit verändert?

Ich behalte zwar meinen Humor, und ich bin absolut optimistisch. Aber ich merke, dass ich, je älter ich werde, viel, viel mehr nachdenke. Über die dummen Menschen, den Egoismus, über Arschlöcher an der Börse, über Spekulanten, Hedgefonds-Manager und all das, was uns noch schneller zum bitteren Ende führen wird, als wir glauben. Die Gier ist so sehr gewachsen. Früher gab es nur ein paar Gierige, aber die reichten auch schon. Heute ist leider die Summe gieriger Arschlöcher sehr stark gestiegen. Das macht mir manchmal Sorgen, denn ich sehe genau, was passiert. Dinge geschehen, die wir nicht mehr kontrollieren können. Die Naturkatastrophen werden mehr, die Erderwärmung - all das sehe ich und spüre es auch, und das sind für mich manchmal richtige Schmerzen. Und wenn ich dann all die Obdachlosen sehe und auf der anderen Seite sehe, wie in Dubai die Menschen wie blöde das Geld rauswerfen, ach, das tut mir weh. Tja, das ist halt der andere Zander in mir.

Haben Sie Träume, die Sie verwirklichen möchten?

Ja! Ich möchte gerne Gruselfilme drehen mit irgendwelchen verrückten Leuten. Dazu habe ich große Lust, mit einer guten Mannschaft. Das würde ich gern in Prag machen, weil es dort noch wirklich gute und gruselige Örtlichkeiten gibt und auch noch irre alte Studios in irgendwelchen Fabrikhallen. Da möchte ich gerne Gruselstorys drehen, kleine Geschichten von vielleicht 20 Minuten, im Stil von Roald Dahl. Das wünsche ich mir. Das mache ich noch!

INTERVIEW: CORINNA STEGEMANN

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